

„Dem Vergessen entrissen“: SWDKO spielt nachrangige Komponisten der Wiener Klassik
Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim (SWDKO) will in seinem 5. Abokonzert beweisen, dass auch die nachrangigen Komponisten im Zeitalter der Wiener Klassik einfach ziemlich gut waren. Dabei steht der Solist Andrey Godik mit seiner Oboe im Mittelpunkt.
Pforzheim. Auf der Spitze einer Disziplin geht es ziemlich eng zu. Denn im Kern einer Kunst ist nur Platz für Wenige. Lohnt es sich da, den Blickwinkel zu erweitern? Und auch die zu fokussieren, die in der zweiten Reihe stehen? Diese Frage stellt das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim (SWDKO) in seinem 5. Abokonzert – und beantwortet sie auf zwei verschiedene Weisen. Unter dem Titel „Dem Vergessen entrissen“ will das Programm des Abends beweisen, dass auch die nachrangigen Komponisten im Zeitalter der Wiener Klassik einfach ziemlich gut waren. Solche Namen wie Joseph Martin Kraus, Franz Anton Hoffmeister und Joseph Fiala tauchen da auf. Sie sind heute vergessen. Zu Recht? Am Ende des Abends wird feststehen: Gegen die ganz großen Namen des Repertoires können die Kleinen nicht bestehen. In anderer Hinsicht aber schon.
Denn der Solist des Abends, der 26-jährige Andrey Godik, ist für Albrecht Mayer bloß eingesprungen. Der – ein Weltstar an der Oboe – ist wegen einer Erkrankung ausgefallen. Godick gehört nicht nach ganz oben, er steht in zweiter Reihe. Nach dem Konzert steht fest: Noch. Denn was er an der Oboe zeigt, sorgt für gewaltige Begeisterung im gut gefüllten CongressCentrum Pforzheim.
Zwar hat die Umbesetzung auch einige Anpassungen des Repertoires mit sich gebracht, Hoffmeister und Fiala werden gar nicht erklingen. Die Dramaturgie des Abends aber ist die gleiche. Kleine Meister treffen auf große – und am Ende trägt der bekanntere Namen den Sieg mit sich: eindeutig. Den Anfang macht so ein mäßig Bekannter. Joseph Martin Kraus’ Sinfonie c-Moll ist kein schlechtes Werk. Sauber gearbeitet, durchaus inspiriert. Mit mancher Länge – aber auch mit durchaus beeindruckenden Wendungen. Gerade, wenn das Kammerorchester so konzentriert musiziert wie hier – unter dem Gastdirigenten Markus Korselt, der dem Orchester einiges abverlangt. Die Musiker spielen im Stehen, haben die deutsche Aufstellung gewählt, bei der die beiden Geigengruppen das Orchester von rechts und links einrahmen. Wenig Vibrato liegt in ihrer Interpretation, dafür mehr Dampf und Saft und Sprödigkeit. Das alles sucht die Nähe zur historischen Aufführungspraxis – und funktioniert.
Doch der Höhepunkt des Abends folgt: Mozarts Oboenkonzert gelingt Godik fantastisch – und in ganz eigener Weise. Denn der 26-Jährige verfolgt einen persönlichen Stil. Klangkultur gilt ihm alles – das Grelle und Derbe liegt ihm nicht. Das ist im humorvollen letzten Satz etwas schade. Im schwelgerischen zweiten sorgt es für ein beeindruckendes Ergebnis. Godick kann unendliche Bögen bauen, Staccato-Töne mit genialer Leichtigkeit hauchen und Einzeltöne in einem gewaltig sanften Legato ineinander übergehen lassen. Oft taucht er für einige Sekunden ab, wird leise – um dann wieder im Vordergrund zu stehen.
Das zeigt sich auch in seinem zweiten Werk: dem Oboenkonzert von Domenico Cimarosa. Eigentlich stammt es vom australischen Komponisten Arthur Benjamin, der es nach Motiven aus Comaros Klaviersonaten modelliert hat. Godiks Ton strahlt auch hier in seiner durchdringenden Sanftheit. Das Werk aber kann nicht überzeugen. Ganz anders Haydns Sinfonie Nr. 49 „La Passione“, die dem Kammerorchester mit Vitalität gelingt. Auch hier sind die Musiker wieder aufgestanden und holen einiges heraus aus dem aufwühlenden Werk. Das Ende macht Godick. Händels „Lascia ch’io pianga“ bietet ihm alles an ätherischer Sanftheit, um final aufzutrumpfen. Das zeigt auch der Applaus, den das Publikum spendet und damit wohl sagen will: Bis ganz nach vorne ist es bloß noch ein kleiner Schritt.