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Große Gesten, inhaltliche Substanz: Bodo Wartke zeigt sich im CongressCentrum mal witzig, mal ernst. 

Zwischen Humor und Haltung: Musik-Kabarettist Bodo Wartke begeistert im CCP

Pforzheim. Bevor er irgendetwas sagt, bevor er sich vor dem applaudierenden Publikum verbeugt, setzt sich Bodo Wartke an den Flügel und fängt an zu spielen. Er lässt die Musik sprechen und spricht durch die Musik: mal humorvoll, mal ernst, aber immer hintergründig und gedankenreich.

Als er am Sonntagabend bei einer Veranstaltung des Kulturhauses Osterfeld im Congress Centrum auftritt, hat er einiges zum Nachdenken im Gepäck. Wartkes Texte sind anspruchsvoll, haben Substanz und Gehalt. Selbst dann, wenn er als Gangster-Rapper ein Loblied auf die Insekten singt.

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Er gibt auch mal den Gangster-Rapper ...

Aber bevor er das tut, muss er das Publikum fragen, ob es "im Haus" ist, denn: "Im Grunde ist Gangster-Rap ein bisschen wie Kasperle-Theater." Und dazu gehört nun einmal auch, dass man "dicke Eier" braucht und am Ende des Lieds das Mikrofon fallenlässt. Wartke benutzt dafür natürlich eines, das schon kaputt ist. Alles andere wäre ja nicht nachhaltig.

Gangster-Rap trifft auf Schlager

Auch sonst macht er einiges anders. Etwa, indem er den Gangster-Rap mit Schlager mischt. Für den "Gangster-Schlager" nimmt er einen klassischen Gangster-Rap-Text inklusive aller gängigen Topoi und Leitmotive, legt ihn auf die Melodie von "Atemlos" – heraus kommt ein unterhaltsames Stück Musik, bei dem inmitten glattgebügelter Melodien Worte wie "Hurensohn", "Lauch" und "Bitches" zu hören sind. Eine echte Marktlücke, die Wartke da entdeckt hat.

Apropos: Wer hätte gedacht, dass Mozarts Kleine Nachtmusik bei zupackender Spielweise ganz tanzbare Rhythmen liefert? Mit Schwung übers Parkett wirbeln darf das Publikum wegen der aktuell geltenden Corona-Regeln im CongressCentrum zwar nicht. Aber: "Wir hoffen, dass das bald wieder möglich ist auf dem Inzidancefloor." Nicht das einzige Wortspiel, das Wartke raushaut, ohne mit der Wimper zu zucken.

Er spielt mit der Sprache, präsentiert humorvolle Zweizeiler im Stil von Heinz Erhardt. Und Wartke singt über Zweifel und Zuversicht, über sein Leben als Vater und natürlich auch über Regen – in einer Version, die ins Jahr 2021 passt: Es geht um den Klimawandel. Er fordert die politisch Verantwortlichen auf, sich zu bewegen – und zwar "nicht morgen, sondern heute, denn es bleibt nicht mehr viel Zeit". Er kritisiert den Braunkohleabbau, der noch nicht einmal vor dem Hambacher Forst Halt macht.

Weihnachtslied als kröndender Abschluss

Und er prangert den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche an. "Hier werden nicht die Opfer, sondern die Täter geschützt", singt er in einem seiner Lieder: "Die Aufarbeitung wird verschleppt, bis das öffentliche Interesse abebbt." Wartke bezieht Stellung, ist unbequem.

Wenn es um die Unterdrückung der Frau, um Homophobie und Judenfeindlichkeit geht, haben Nationalisten, Islamisten, christliche Fundamentalisten und Gangster-Rap-Artisten aus seiner Sicht mehr gemein, als man auf den ersten Blick meint – "und das anscheinend ganz autonom von Herkunft, Hautfarbe und Religion".

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... und lässt am Piano die Musik sprechen.

Vom Publikum erhält er tosenden Beifall. Als Zugabe spielt er das Weihnachtslied "Have Yourself A Merry Little Christmas." Ein Stück, das perfekt in diese unruhigen Zeiten passt.