
KSC-Trainer Rainer Scharinger über seine Ziele
Nach dem Abstiegskampf ist vor dem Abstiegskampf. Rainer Scharinger ist Realist, wenn er an die neue Saison denkt. PZ-Redakteur Martin Mildenberger hat sich mit dem 44-jahrigen Trainer des Fußball-Zweitligisten Karlsruher SC unterhalten.
PForzheimer Zeitung: Zittern bis zur letzten Minute am letzten Spieltag: Waren die elf Wochen als Trainer beim KSC die stressigsten Wochen in Ihrer Karriere als Spieler und Trainer?
Rainer Scharinger: Keine Frage, sie zählen zu den stressigsten in meiner Karriere. Die Ausgangssituation war sehr schwierig. Ich war der vierte Trainer in der Saison. Ich habe nicht weniger als 37 Spieler angetroffen. Dann haben wir aber gemeinsam die Dinge entschlossen angepackt und sind belohnt worden, auch wenn wir bis zur letzten Minute im letzten Spiel zittern mussten.
PZ: Am 1. Juni ist schon wieder
Trainingsstart. Geht der Stress jetzt gerade weiter oder bleibt auch etwas Zeit, Urlaub zu machen?
Scharinger: Nein, ich werde keinen Urlaub machen. Wir konnten zwar im Hintergrund planen, konnten aufgrund der Tabellensituation aber bis zuletzt keine Entscheidungen treffen. Es gibt genug zu tun
PZ: Welches sind aktuell die größten Baustellen für die sportliche Leitung des KSC?
Scharinger: Wir müssen zunächst mal mit den Spielern sprechen, bei denen der Vertrag ausläuft und dann mit denen, mit denen man verlängert. Und wir schauen nach Neuverpflichtungen. Das ist nicht einfach, weil wir bekanntermaßen finanziellen Zwängen unterliegen. Für den Neuaufbau wollen wir vor allem junge, hungrige Spieler holen. Dass wir uns bei unseren finanziellen Möglichkeiten nicht in der 1. Liga,
sondern in der 2. und vor allem der 3. Liga umschauen müssen, ist klar.
PZ: Um auf diese Art eine starke Mannschaft aufzubauen, braucht man Zeit: Werden der Verein und das Umfeld die nötige Geduld mitbringen?
Scharinger: Wenn man junge Spieler aus unteren Ligen holt, braucht man Zeit, das ist klar. Außerdem sind wir gerade dem Abstieg entronnen, da kann man nicht sofort wieder ganz nach oben schauen. Ich werde realistische Zwischenziele formulieren. Wir wollen weiter nach oben, aber das kann nur in kleinen Schritten funktionieren. Wenn ich 14. bin, will ich 13. werden, wenn ich 13. bin, will ich 12. werden und so weiter. Es wird harte Wochen und Monate geben. Das ist mir klar, das ist im Verein klar. Ich hoffe, dass auch unsere Fans dem neuen, jungen Team die notwendige Zeit zur Entwicklung geben werden.
PZ: Das klingt realistisch und es klingt nach einer neuen Zittersaison?
Scharinger: Man muss der Realität klar ins Auge sehen. Das habe ich auch gleich getan, als ich zum KSC kam. Ich habe eben nicht mehr gesagt, die Mannschaft hat ein Riesenpotenzial und das wird schon irgendwann mal. Ich habe auch gesagt, der Kampf um den Klassenerhalt kann bis zur letzten Sekunde dauern. Leider ist es so eingetreten.
PZ: Wird die kommende Saison vielleicht noch schwieriger?
Scharinger: Wir werden wieder ein schweres Jahr haben, was nicht heißt, dass wir nicht ein Stück nach oben rutschen können. Aber die Liga wird brutal schwer. Mit Braunschweig und Rostock kommen sehr gute Aufsteiger. Von oben kommen St. Pauli und Frankfurt. Die Liga wird viel stärker. Da kann niemand ernsthaft erwarten, dass wir mit den oben genannten schwierigen Rahmenbedingungen sofort nach vorne durchstarten. Wir sind unten und wir müssen uns Schritt für Schritt nach oben arbeiten.
PZ: Der KSC ist dafür bekannt, dass immer wieder Talente aus den eigenen Reihen kommen. Wie sieht es da für die kommende Saison aus? Kann man auch mit Verstärkung aus dem eigenen Lager rechnen?
Scharinger: Man hat in der abgelaufenen Saison sieben, acht Spieler nach oben gezogen, die teilweise noch gar nicht so weit waren. Auch ihnen muss man die Zeit und die Chance geben, sich positiv zu entwickeln und den Anforderungen der 2. Liga gerecht zu werden.
PZ: Aber gerade mit Spielern aus dem
eigenen Nachwuchs kann sich der Fan doch am meisten identifizieren.
Scharinger: Das ist richtig. Das Kapital von morgen ist sicher die eigene Jugendarbeit, die uns aber vor Probleme stellt: Alleine in den letzten vier Jahren sind aus verschiedenen Altersstufen 23 Spieler abgeworben worden – 16 nach Hoffenheim und sieben zum VfB Stuttgart. Die Konkurrenz ist hier viel größer geworden.
PZ: Schaut sich der KSC auch im Raum Pforzheim/Enzkreis nach
Talenten um? Der FC Nöttingen ist immerhin Spitzenreiter der Oberliga.
Scharinger: Sie sprechen hier ja zwei Dinge an: Zum einen ist Nöttingen eine interessante Mannschaft, die ich natürlich schon gesehen habe – zuletzt im Pokal-Halbfinale bei Durlach-Aue. Es ist aber nicht so, dass irgendein Spieler des FC Nöttingen im Blickfeld des KSC wäre. Und zum zweiten beobachten wir natürlich Talente in Pforzheim und dem Enzkreis und sichten hier Spieler.