

Mindestens 49 Tote bei Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands
Koblenz/Altena/Wuppertal/Pforzheim/Enzkreis. Ganze Landstriche sind verwüstet, Häuser weggespült: Nach Unwettern im Westen Deutschlands sind mindestens 49 Menschen gestorben. In Rheinland-Pfalz werden Dutzende Menschen vermisst. Politiker äußerten ihr Mitgefühl, dankten den Helfern und Einsatzkräften und machten sich auf den Weg ins Katastrophengebiet. Die PZ-Region blieb bei diesen Unwettern verschont.
Das NRW-Innenministerium sprach am Donnerstagabend von mindestens 30 Toten in Nordrhein-Westfalen in Zusammenhang mit dem schweren Unwetter. 57 Personen seien zudem verletzt. In Rheinland-Pfalz starben 19 Menschen, Dutzende werden vermisst. «So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend», sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag in Mainz.
Laschet zu Besuch in Altena und Hagen
NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) machte sich in Altena und in Hagen ein Bild von der Lage. Rund 440 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk und 100 Kräfte der Bundeswehr waren allein in Hagen unterwegs, um der Wassermassen Herr zu werden. Eine Reise durch Süddeutschland hatte Laschet abgebrochen und auch seine Teilnahme an der CSU-Klausur im bayerischen Seeon abgesagt.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) unterbrach wegen des Hochwassers seinen Urlaub. Noch am Donnerstag wolle sich der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat zusammen mit Dreyer ein Bild von der Lage im Katastrophengebiet machen, wie das Ministerium in Berlin mitteilte. Auch die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kehrte vorzeitig aus dem Urlaub zurück.
Merkel dankt Hochwasser-Helfern
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dankte den Helfern. «Ich bin erschüttert über die Katastrophe, die so viele Menschen in den Hochwassergebieten durchleiden müssen», erklärte Merkel laut einem Tweet von Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag. «Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten und Vermissten. Den vielen unermüdlichen Helfern und Einsatzkräften danke ich von Herzen.» EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Ländern Hilfe zu.
In Rheinland-Pfalz waren mehrere Orte in der Eifel besonders schwer von dem Hochwasser betroffen. «Leider müssen wir bestätigen, dass sich die Zahl der Todesopfer in Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe im Raum Bad Neuenahr-Ahrweiler auf derzeit insgesamt 18 erhöht hat», teilte die Polizei am Nachmittag bei Twitter mit. «Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Betroffenen.» Ein Sprecher der Polizei in Koblenz teilte am Abend mit, dass ein weiterer Mensch in den Fluten ums Leben gekommen sei. Dutzende Menschen wurden noch vermisst.
Häuser komplett weggespült
In Schuld an der Ahr wurden in der Nacht zum Donnerstag nach Angaben der Polizei in Koblenz vier Häuser völlig und zwei weitere Häuser zur Hälfte weggespült. Eine Vielzahl weiterer Gebäude ist einsturzgefährdet. Die Fluten schnitten mehrere Orte von der Außenwelt ab. Etwa 50 Menschen wurden von Hausdächern gerettet, auf denen sie Zuflucht gesucht hatten.
Auch im Eifelkreis Bitburg-Prüm wurden Menschen in ihren Häusern von den Wassermassen eingeschlossen. Die Bewohner von mehreren Gemeinden waren von Stromausfall und Einschränkungen der Trinkwasserversorgung betroffen.
In Nordrhein-Westfalen blieb die Lage ebenfalls weiter angespannt. Nach dem Abklingen des Starkregens kämpften Feuerwehr und andere Einsatzkräfte an vielen Orten mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Mindestens 24 Menschen starben.
Die Polizei Köln berichtete von 20 Toten in der Region. Neben 2 in Köln gefundenen Toten seien bislang aus Euskirchen 15 und aus Rheinbach 3 Tote gemeldet worden, teilte die Polizei am Donnerstagnachmittag mit. Noch seien nicht alle gesichteten Leichen geborgen. «Aussagen zur Identität, Alter, Auffindeort und Todesumständen wird die Polizei zum Schutz der Angehörigen nicht veröffentlichen», erklärten die Beamten.
Zuvor war bereits bekannt geworden, dass im Zusammenhang mit dem Unwetter auch in anderen Landesteilen Nordrhein-Westfalens Menschen starben - etwa in Kamen und Solingen. Zudem starben im Sauerland zwei Feuerleute. Einer von ihnen war in Altena bei der Rettung eines Mannes ertrunken.
Mehrere Orte evakuiert
An der Steinbachtalsperre wurden die Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim evakuiert. Die Talsperre sei von einem Sachverständigen als «sehr instabil» eingestuft worden, sagte der Landrat des Kreises Euskirchen, Markus Ramers (SPD), der Deutschen Presse-Agentur. Von der Evakuierung seien 4500 Einwohner betroffen. Gerüchte, wonach die Talsperre bereits gebrochen sei, hatte der benachbarte Kreis Ahrweiler zuvor dementiert.
Im Rhein-Erft-Kreis appellierte ein Sprecher der Polizei an Schaulustige, die Rettungsarbeiten nicht zu behindern. «Die aktuelle Situation, in der viele Menschen um Angehörige bangen und sich um ihr Hab und Gut sorgen, ist nicht der richtige Zeitpunkt für Schaulust», sagte Thomas Held der dpa.
Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands überschritten. Der DWD-Meteorologe Marco Manitta erwartete am Donnerstag «eine Entspannung der Wetterlage». Zwar könne es weiterhin «punktuellen Starkregen» geben, dieser sei aber nicht mehr so verbreitet wie in der vergangenen Nacht, sagte Manitta der Deutschen Presse-Agentur. «Das Unwetterpotenzial sinkt deutlich.»
Unwetter suchen auch die Region heim
In den vergangenen Wochen führten schwere Unwetter auch in der Region zu zahlreichen Einsätzen der Rettungskräfte. Karlsbad wurde etwa zum dritten Mal seit Mitte Juni von Hochwasser getroffen. Im westlichen Enzkreis sind Kellerflutungen dieser Tage die Regel.
Im Vergleich zum Jahr 2016 blieb es dennoch bisher weitestgehend undramatisch. Damals sorgten sintflutartige Regenfälle zu Überschwemmungen die besonders die Gemeinden Ölbronn-Dürrn, Knittlingen und Königsbach Stein hart getroffen hatten. In der Region wurde nach den Vorkommnissen von damals versucht, in den Hochwasserschutz und in Maßnahmen gegen die Auswirkungen von Starkregenfällen zu investieren – was nur in Ansätzen gelungen ist.
Die gute Nachricht: Zum Wochenende sollen die Regenfälle im westen Deutschlands aber auch in der Region nachlassen. Ein Hoch aus den Azoren sorgt dann wieder für sommerliche Temperaturen und klaren Himmeln – falls der Wetterdienst richtig liegt.