
Google-Manager spricht bei Altatec in Wimsheim
Peinlich. „Das ist genau der Ausdruck“, sagt Frederik G. Pferdt. Er weiß, wie es seinen Zuhörern geht, als er sie bittet, ihrem Sitznachbarn das Porträt zu übergeben, das sie von ihm oder ihr binnen weniger Sekunden zusammengekritzelt haben. Doch genau darum geht es: es zu versuchen, „sich selbst Vertrauen zu schenken“ und – übertragen auf den Unternehmensalltag – „Ideen auszutauschen, die nicht perfekt sind“.
Mit Selbstversuchen wie diesem stellt der 37-Jährige immer wieder prägende Aspekte der Unternehmenskultur von Google dar, als er am Mittwoch auf Einladung des CDU-Wirtschaftsrats in den Räumen des Wimsheimer Herstellers von Zahnimplantatsystemen Altatec über seinen Arbeitgeber spricht. „Kreative Freiheit: Innovationskultur gestalten“ lautet das Thema des promovierten Wirtschaftspädagogen mit Ravensburger Wurzeln, der die Innovations- und Kreativitätsprogramme des kalifornischen Internetriesen leitet und auch an der Universität von Stanford lehrt.
Der Mut zum Nichtperfekten, zum kindlichen Erforschen gehört zum Grundprinzip „Offenheit und Transparenz“, das laut Pferdt für Googles Erfolg entscheidend ist. Wenn Mitarbeiter bis zum Praktikanten vom ersten Tag an Zugriff auf alle Daten bekommen – „wirklich alle Daten“ –, schaffe dies Vertrauen, das zurückgegeben werde. Zu diesem Vertrauen gehöre auch die Mentalität, dass Scheitern kein Makel sei. „Die Frage ist, wie Sie mit Mitarbeitern umgehen, die zwei, drei Jahre an einem Projekt gearbeitet haben, das dann eingestellt werden muss.“ Die Google-Antwort: „Sie werden gefeiert. Das sind häufig die relevantesten Mitarbeiter“, sagt er mit Blick auf die gesammelte Erfahrung. Man mache ständig Fehler – „und wir stehen dazu.“ Die Liste eingestellter Produkte sei lang. Und auch bekannte Projekte wie etwa der Prototyp der Computerbrille Google Glass sind vor Rückschlägen nicht gefeit. In diesem Fall, sagt Pferdt, habe man etwa die Diskussion um die Privatsphäre unterschätzt.
Doch gerade solche Innovationen sind für den 37-Jährigen der Geist von Google. Er betont immer wieder das „unerreichbare“ Fernziel des Unternehmens, allen Menschen alle Informationen bestmöglich zugänglich zu machen. Das sei auch für die Motivation der Mitarbeiter entscheidend. „Menschen suchen nach Bedeutung, nach dem Sinn“, sagt er. Diese sähen sie etwa in gesellschaftlicher Bedeutung ihres Tuns. „Der Nutzer“, nennt er den ersten Google-Grundsatz, „steht an erster Stelle.“ Alles Weitere komme von selbst. Aus Googles Sicht scheint das zu stimmen. Das vor 17 Jahren gegründete Unternehmen zählt heute rund 55 000 Mitarbeiter und ist ein begehrter Arbeitgeber, wie Frederik G. Pferdt verdeutlicht: „Wir bekommen im Jahr 2,5 Millionen Bewerbungen.“