
- dpa/pm/pz
Stuttgart. In Baden-Württemberg werden die Corona-Maßnahmen bereits unmittelbar nach den Weihnachtstagen wieder verschärft. Die grün-schwarze Landesregierung will die Kontaktbeschränkungen lediglich vom 23. bis zum 27. Dezember aufweichen, bestätigte ein Regierungssprecher heute der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem soll eine Regelung für Hotspots kommen, die unter anderem Ausgangssperren vorsieht. Dies könnte dann auch Pforzheim treffen.
Darauf habe sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit seinen Kabinettskollegen verständigt. Damit sind die Regeln in Baden-Württemberg schärfer als in vielen anderen Ländern.
Die Corona-Maßnahmen werden im Dezember bundesweit verschärft - außer in der Weihnachtszeit. Bund und Länder hatten sich vergangene Woche für Treffen «im engsten Familien- oder Freundeskreis» vom 23. Dezember bis 1. Januar auf eine Obergrenze von zehn Personen plus Kinder bis 14 Jahren verständigt. Kretschmann war dieser Zeitraum allerdings angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen zu lang. Deshalb fällt die Phase der Lockerung hierzulande nun deutlich kürzer aus. Somit dürfen sich auch an Silvester nur fünf Personen aus zwei Haushalten treffen - wie im ganzen Dezember schon.
Härtere Regeln für Hotspots
Derweil feilt das Sozialministerium an noch härteren Regeln für Hotspots im Land. Die Landesregierung arbeitet derzeit fieberhaft an Maßnahmen für Regionen, in denen die Pandemie völlig aus dem Ruder läuft und die Inzidenzwerte über 200 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche steigen. Ein Entwurf für einen Erlass des Gesundheitsministeriums, der der dpa vorliegt, sieht für diesen Fall allgemeine Ausgangsbeschränkungen vor. Die Bürger dürften ihre Wohnung dann nur noch «bei triftigen Gründen» verlassen, etwa für Job, Schule, Sport, Einkauf oder Arztbesuche. Öffentlich wie privat darf sich dann zudem nur noch ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen, maximal aber 5 Personen. Der Besuch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen soll nur nach vorherigem Antigen-Test oder mit FFP2-Maske erlaubt werden.


Interaktive Karte: So hoch ist die 7-Tage-Inzidenz in Ihrem Landkreis
Pforzheim derzeit auch Hotspot
Mehrere Kreise in Baden-Württemberg liegen derzeit über der 200er-Marke - nach Stand vom Sonntagnachmittag sind es die Kreise Tuttlingen, Lörrach, Heilbronn, Mannheim, Pforzheim und der Schwarzwald-Baar-Kreis. Die landesweite Inzidenz lag bei 132,6.
Die CDU-Seite bremst allerdings bei den geplanten Hotspot-Maßnahmen. Sie kritisiert viele ungeklärte Punkte in der Strategie von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) und hat juristische Bedenken mit Blick auf einige Formulierungen. Die geplanten Ausgangsbeschränkungen seien zudem zu pauschal und weitgehend. Deshalb wird der Erlass auf Bitte der CDU noch nicht verabschiedet, sondern soll im Corona-Lenkungskreis der Regierung noch einmal besprochen werden. Die normalerweise am Mittwoch stattfindende Sitzung des Lenkungskreises wurde deshalb auf diesen Montag vorverlegt.


75 Corona-Neuinfektionen in Pforzheim und dem Enzkreis
Von der Hotspotstrategie getrennt wollte die Landesregierung am Montag noch die neuen allgemeinen Corona-Regeln verkünden - also die Umsetzung der Beschlüsse von Bund und Ländern durch das Land. In Kraft treten soll die neue Verordnung nach Angaben des Staatsministeriums am Dienstag.
Wann genau es wie bei sehr hohen Inzidenzen zu Wechselunterricht an Schulen kommt, blieb zunächst noch unklar. Das will das Kultusministerium in einer eigenen Verordnung klären. Bei dem Punkt gab es zuletzt deutliche Differenzen zwischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Kretschmann hatte bereits angekündigt, dass in Hotspots Klassen halbiert und abwechselnd zu Hause und in der Schule unterrichtet werden sollen. Eisenmann nannte Wechselunterricht hingegen einen «existenziellen Fehler» und warnte vor Betreuungs- und Organisationsproblemen.


Neue Corona-Verordnung für Baden-Württemberg kommt erst am Montag
An anderer Stelle gibt sich das Land allerdings lockerer als der Bund. Über die Weihnachtstage sollen Hotelübernachtungen für Familienbesuche in Baden-Württemberg ermöglicht werden, teilte der Regierungssprecher mit. Auch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Holstein, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hatten angekündigt, über die Festtage Hotelübernachtungen für Familienbesuche zu erlauben - entgegen einer Empfehlung aus dem Kanzleramt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Pläne dieser Länder am Montag in einer virtuellen Sitzung des CDU-Präsidiums kritisiert. Es sei nicht kontrollierbar, ob nur Gäste in den Hotels übernachteten, die tatsächlich Verwandte in der Region besuchten, begründete Merkel Teilnehmern zufolge ihre Kritik.
Dehoga begrüßt Regelung
Der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga begrüßte allerdings den Schritt. Zwar sei die Wirtschaftlichkeit einer Betriebsöffnung für nur wenige Tage in den meisten Fällen nicht gegeben, sagte Verbandschef Fritz Engelhardt. «Uns geht es aber vor allem darum, dass wir unseren Gästen, die Familienbesuche über Weihnachten planen, klare und sichere Auskünfte geben können.» Eine solche Planungsgrundlage wäre auch für die Gastronomiebetriebe dringend erforderlich.
Auch Tourismusminister Guido Wolf (CDU) nannte die Hotelöffnung für Familien über die Festtage richtig. «Aus meiner Sicht sind separate Übernachtungen in Hotels sicherer als Übernachtungen mit mehreren Personen in möglicherweise beengten Räumlichkeiten», betonte er.
Kritik aus der Region
Unterdessen übt Erik Schweickert Kritik an Kretschmanns Vorgehen. Der Landtagsabgeordnete (FDP) frage sich, ob der Ministerpräsident schon mal mit der Hotelbranche gesprochen habe.
"Eine Öffnung für vier Übernachtungen inmitten eines unbestimmten Lockdowns – wie soll das für Hotels attraktiv sein? Und das dann auch noch an den Feiertagen? Personalplanung, Verpflegung, das Hochfahren des Betriebs plus die gesamte Bürokratie z.B. bei der Kurzarbeit - und das für vier Tage? Es wären nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten potentiell eine Öffnung für neun Übernachtungen möglich gewesen. Man kann sich dann bei denen nur bedanken, die zugunsten ihrer Kunden trotzdem öffnen werden.“
Erik Schweickert, mittelstands-, einzelhandels- und tourismuspolitischer Sprecher der FDP/DVP Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg
Aus Schweickerts Sicht sei hier eine schnelle und umfassende Planungssicherheit nötig. Die sei ein Beispiel dafür, dass der Landesregierung betriebswirtschaftliche Kenntnisse fehlten.