
- DPA
Bei dem koordinierten Einsatz gegen die Mafia und organisierte Kriminalität ist nach Angaben der Ermittler auch ein deutscher Polizist festgenommen worden. Er soll die kalabrische Mafia 'Ndrangheta unterstützt haben, wie Staatsanwaltschaft und Polizei in Waiblingen mitteilten. Der Polizeibeamte gehöre der Landespolizei Baden-Württemberg an und sei beim Polizeipräsidium Aalen beschäftigt. Gegen den 46 Jahre alten Polizeihauptmeister sei Haftbefehl wegen Geheimnisverrats erlassen worden.
Betroffen seien neben Baden-Württemberg auch Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie das Saarland, hieß es. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stuttgart erstrecken sich die Maßnahmen in Baden-Württemberg auf Stuttgart, Fellbach, Kernen im Remstal, Weinstadt, Rudersberg, Schorndorf, Waiblingen, Steinheim/Murr, Kuppenheim und Mühlacker. Es wurden Schusswaffen, Munition und digitale Speichermedien, Geschäftsunterlagen und Bargeld sichergestellt.


„Wir haben es den Mafiosi zu leicht gemacht“ – Karlsruher Richter und Autor Alessandro Bellardita im PZ-Interview
Betrug unter anderem mit Lebensmitteln
Die mutmaßlichen Mafiosi sollen sich zwischen April 2020 und Mitte 2022 unter anderem gegenüber einer Firma in Ungarn und Firmen in Italien als Mitglieder tatsächlicher deutscher Unternehmen aus der Lebensmittelbranche ausgegeben haben. Sie hätten in großen Mengen Produkte sowie Maschinen für die Herstellung von Pizza bestellt. Die Unternehmen vertrauten auf den guten Ruf und lieferten die Waren in ein angebliches Lager einer nicht existenten Firma aus, wie die Staatsanwaltschaft erklärte.
Weil Rechnungen nicht bezahlt und die Produkte an Gastronomen in Deutschland verkauft worden seien, sei ein Schaden von mehreren Hunderttausend Euro entstanden. Die Gastronomen hätten um die Mafia-Zugehörigkeit der Anbieter gewusst. Aus Angst seien sie auf den Handel eingegangen, hieß es.


Immobilien sind der Waschsalon der Mafia - Spuren führen nach Pforzheim


Bundesweite Razzia gegen die Zigaretten-Mafia – auch im Raum Pforzheim
Gemeinsame Ermittlungen von Deutschen und Italienern
Der koordinierte Einsatz mit dem Namen «Operation Boreas» geht den Angaben zufolge auf eine Ermittlungskooperation mit den italienischen Behörden zur Bekämpfung der Mafia und der organisierten Kriminalität zurück. Die Vorwürfe gegen die Verdächtigen reichen von Bildung und Unterstützung einer ausländischen kriminellen Vereinigung, bandenmäßigem Betrug, erheblicher Gewalt, mehreren Fällen des versuchten Totschlags aus verletzter Ehre und Erpressungen bis hin zu Betäubungsmittelhandel, Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Von den Verdächtigen in Italien sitzen nun zahlreiche im Gefängnis, weitere wurden unter Hausarrest gestellt. Die Verdächtigen konnten laut Polizei in den Provinzen Cosenza und Crotone in Kalabrien aufgespürt werden.


Bedrohung für Demokratien: Experte spricht über Geldwäsche
Verbindungen zur Mafiaorganisation 'Ndrangheta
Die Mafia-Organisation 'Ndrangheta aus der süditalienischen Region Kalabrien ist eine der großen Verbrecherbanden Italiens mit Beziehungen in die ganze Welt. Sie gilt als gefährlicher als die sizilianische Cosa Nostra oder die Camorra aus Neapel. Den größten Teil ihres Geschäfts macht die 'Ndrangheta mit Rauschgift. Nach Einschätzung von Experten hat sie eine dominante Stellung auf dem europäischen Kokain-Markt. Dabei ist sie auch in Deutschland aktiv.
Nach einer letzten Auskunft des Landesinnenministeriums (April 2024) leben allein in Baden-Württemberg rund 170 Personen, die das Landeskriminalamt der organisierten Kriminalität zurechnet. Tätige Mafia-Organisationen seien 'Ndrangheta, Cosa Nostra, Camorra und Sacra Corona Unita. Die Verdächtigen leben demnach insbesondere im Bodenseeraum und im Großraum Stuttgart.


Geld stinkt doch: Finanzexperten sprechen im PZ-Autorenforum über Geldwäsche


Geschäfte machen: Pforzheim als Rückzugsort für Mafiosi
Hohe Dunkelziffer an Mafiosi in Baden-Württemberg
Knapp ein Viertel der Angehörigen der italienischen organisierten Kriminalität in Deutschland leben in Baden-Württemberg. Das wird auf die geografische Nähe zu Italien zurückgeführt, aber auch auf die Wirtschaftskraft des Bundeslandes. Das Spektrum der Straftaten reicht von Betrug über Drogenhandel und Waffendelikten bis hin zur Geldwäsche. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer an Mafiosi aus.
Den jüngsten Einsatz unterstützt hat nach Angaben der italienischen Polizei außerdem das Interpol-Projekt I-CAN (Interpol Cooperation Against 'Ndrangheta). Mit der Hilfe des I-CAN-Projekts wurden nach Interpol-Angaben seit seinem Start 2020 weltweit schon mehr als 100 Verdächtige festgenommen. An dem Projekt sind demnach etwa 20 Länder beteiligt, hauptsächlich Deutschland und Italien engagieren sich dort verstärkt.
