Hochschulen rüsten sich für Ansturm
Hochschulen rüsten sich für Ansturm 

Doppelter Abi-Jahrgang - Hochschulen rüsten sich für Ansturm

Stuttgart (dpa/lsw) - Der doppelte Abiturjahrgang hält die Hochschulen im Südwesten schon vor Abschluss der Reifeprüfung auf Trab. Mit Vorbereitungskursen und zusätzlichen Studienberatern sowie Informationsangeboten an den Gymnasien reagieren die Hochschulen auf den Ansturm von voraussichtlich 78 500 Studienanfängern im Wintersemester 2012/13, ergab eine dpa-Umfrage. Sie tragen auch einem weiteren Trend Rechnung: Immer mehr Eltern nehmen Einfluss auf die Studienpläne ihrer Kinder, zumal die Schulabgänger wegen früher Einschulung, verkürzter Gymnasialzeit und Wegfall von Bundeswehr und Zivildienst deutlich jünger sind als früher.

So gibt es mittlerweile auch an Hochschulen den Elternabend, so etwa an der Universität Karlsruhe seit vergangenem Jahr. Bislang kamen jeweils bis zu 350 Interessierte. Auch die Universitäten in Tübingen, Stuttgart und Stuttgart-Hohenheim gehen mit solchen Angeboten auf das Informationsbedürfnis von Vätern und Müttern ein.

Mannheim erwägt, diesen Beispielen zu folgen, erklärt Uni-Sprecherin Katja Bär. Einen Zusammenhang mit dem Alter der G8-Abiturienten sieht sie allerdings nicht. «Wir erleben seit etwa fünf Jahren, dass zahlreiche Eltern die Studienbewerber zum Beratungsgespräch oder auf Messen begleiten, auch wenn diese längst volljährig sind.» Wie weit der Einfluss der Eltern gehen kann, beschreibt der Sprecher der Universität Hohenheim, Florian Klebs: «Man merkt, dass sie immer konkreter eingreifen, etwa bei der Studienwahl oder dem Thema der Bachelorarbeit.»

Das geht Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) eindeutig zu weit. «Auch wenn ich als zweifache Mutter den Impuls nachvollziehen kann, finde ich, dass das Studium zur Unabhängigkeit vom familiären Hintergrund führen muss.» Sie fügt hinzu: «Ich rate den Eltern: Lasst los!»

Das Alter der Studenten führen auch zu neuartigen Problemen bei der Anmietung von Studentenbuden. Im Studentenwerk Stuttgart beispielsweise hat bislang noch kein unter 18-Jähriger einen Wohnheimplatz anmieten wollen. Sollte dies aber vorkommen, müssen die Eltern den Vertrag mitunterschreiben oder schriftlich ihr Einverständnis erklären. Doch manche Studenten werde nicht einmal dort unterkommen, befürchtet der Konstanzer Studentenvertreter Patrick Stoll: «Viele Erstsemester müssen sich darauf einstellen, zum Beginn in Turnhallen oder in teuren Ferienwohnungen zu leben - wie es schon 2011 der Fall war.»

Für die Immatrikulation erklären etliche Hochschulen die Minderjährigen schon für voll geschäftsfähig. Das Ministerium wird diese Rechtsfragen noch im Frühsommer landesweit regeln. «Rechtliche Probleme sind uns nicht bekannt», sagt Margarete Lehné vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Karlsruhe hat bereits Erfahrung mit minderjährigen Studenten. Etwa 90 Studenten sind bei Beginn des laufenden Semesters jünger als 18 Jahre gewesen. Bayern und Niedersachsen hatten schon im vergangenen Jahr erste Absolventen der verkürzten Gymnasialszüge an die Hochschulen entlassen.

Dass das Thema Orientierung eine zunehmende Rolle spielt, zeigt die wachsende Zahl von Vorbereitungskursen wie sie in USA und Frankreich schon gang und gäbe sind. Die Universität Karlsruhe bietet seit dem laufendem Wintersemester das sogenannte MINT-Kolleg mit Kursen und Vorlesungen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik an. Sie sollen den Einstieg ins Fachstudium erleichtern und den jungen Leuten zwei bis drei Semester Spielraum bis zur endgültigen Entscheidung über ihr Studienfach geben. Auch die Universität Stuttgart hat so ein Orientierungs-Kolleg eingerichtet.

Eine privat zu finanzierende Variante bietet die renommierte Internatsschule Schloss Salem an: Von 2013 an soll die «Salem Akademie» junge Menschen innerhalb von einem Jahr auf das Studium vorbereiten und so die Studienabbrecherquote verringern. Bauer begrüßt die neuen Möglichkeiten: «Solche Kurse können auch ein bisschen den Druck rausnehmen und Zeit für Persönlichkeitsentwicklung ermöglichen.» Dies wünsche auch die Wirtschaft.

In Freiburg, Ulm und Heidelberg werden für den Ansturm neue Beraterstellen geschaffen. Wie hoch der Aufwand schon bislang war, zeigen Zahlen der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2010: Damals beantworteten Berater 3800 Emails und gaben 3500 Stunden am Telefon Auskunft und etwa 1000 Stunden im persönlichen Gespräch. Darüber hinaus wurden Vorlesungszeiten verlängert, das Hörsaalmanagement verbessert, zusätzliche Räume angemietet. In Hohenheim wird eine Hörsaal mit 600 Plätzen geplant.

Auch die Studentenvertreter sind durch die jüngeren Kommilitonen mit neuen Fragen konfrontiert. Bei den sogenannten Erstsemesterhütten, gemeinsamen Kennenlern-Ausflügen von Neulingen und älteren Semestern, müsse auf den Alkoholkonsum der Minderjährigen geachtet werden. «Wir wollen die Tradition aufrechterhalten, ohne uns rechtlich etwas zuschulden kommen zu lassen», erläutert Laura Elisa Maylein vom Vorstand der Landesastenkonferenz.