Symbolbild: Meyer
Baden-Württemberg
Handy-Überwachung: Die Polizei darf – kann aber nicht
  • Bettina Grachtrup

Seit knapp einem Jahr ist die Überwachung von Handys erlaubt. Doch bislang fehlt es der Polizei an etwas Essenziellem: der passenden Software.

Fast ein Jahr nach der Verschärfung des Polizeigesetzes im Südwesten fehlt den Beamten noch ein zentrales, technisches Instrument zur Verhinderung von Terrorakten. Dabei geht es um einen Trojaner für die sogenannte Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung). Das meint das Abfangen internetbasierter, verschlüsselter Kommunikation über Internet, etwa über Dienste wie Whatsapp. So einen Trojaner müssten die Beamten etwa auf ein Smartphone spielen, von dem der Kontakt ausgeht. Betroffen wäre die laufende Kommunikation.

Die Grünen hatten in den Verhandlungen mit der CDU durchgesetzt, dass nur Trojaner verwendet werden dürfen, die nicht gleichzeitig die umstrittene Online-Durchsuchung ermöglichen. Diese ist im Südwesten nicht erlaubt. SPD-Innenexperte Sascha Binder sagte: „Stand heute gibt’s diese Software noch nicht.“ Beauftragt mit der Entwicklung, die als höchst anspruchsvoll gilt, ist das Bundeskriminalamt (BKA). Binder ergänzte gestern, die Innenpolitiker warteten bis heute auf den versprochenen Termin beim BKA, um sich einen fertigen Trojaner ansehen zu können.

Innenministerium schweigt

Auch Grünen-Innenexperte Uli Sckerl sagte: „Uns ist bisher nicht bekannt, dass eine solche Software vorliegt.“ So lange es keine Lösung gebe, die die Abgrenzung zur Online-Durchsuchung rechtssicher vornehme, gebe es auch keine Quellen-TKÜ. Das CDU-geführte Innenministerium wollte sich aus „einsatztaktischen Gründen“ nicht zum Stand bei der Quellen-TKÜ äußern. CDU-Innenexperte Thomas Blenke wies aber den Vorwurf zurück, die Regierung habe ein Gesetz entwickelt, ohne die Software für die Umsetzung zu haben. „Andersrum wird ein Schuh draus: Niemand würde eine Software entwickeln, ohne zu wissen, wie nachher die gesetzliche Regelung dazu ist.“

Der Landtag hatte im November 2017 nach langem grün-schwarzen Tauziehen um die Details ein novelliertes Polizeigesetz beschlossen. Es trat am 8. Dezember in Kraft. Damit bekamen Polizei und Verfassungsschutz in Baden-Württemberg neue Befugnisse an die Hand, um mögliche Terrorakte früh verhindern zu können. Die grün-schwarze Landesregierung war die Gesetzesänderungen unter dem Eindruck des Terroranschlags auf einen Berliner Weihnachtsmarkt angegangen, bei dem 2016 zwölf Menschen getötet worden waren. Nun steht noch einmal eine Novellierung des Gesetzes an, um es weiter zu verbessern, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte.

Seltene Anwendung

Nach Angaben des Innenministeriums wurden andere Befugnisse aus dem Gesetz bislang zurückhaltend angewandt. Islamistische Gefährder können präventiv mit einer elektronischen Fußfessel kontrolliert werden. Das passiert laut Ministerium derzeit in einem Fall. Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei kann seit der Gesetzesnovelle Explosivmittel wie Handgranaten einsetzen, um den Weg zu Terroristen frei zu sprengen, die sich verschanzen. Bislang ist hierzu kein Fall öffentlich bekannt. Innenminister Thomas Strobl (CDU) meinte: „Es war immer und von vornherein klar: Das sind Instrumente, die nicht massenhaft angewendet werden.“ Wenn es aber darauf ankomme, müssten die Sicherheitsbehörden sie haben.