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Schüler sollten sich wieder an der Reinigung der Klassenzimmer beteiligen, fordert der Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) angesichts finanzieller Probleme der Kommunen. Früher hätten die Schüler noch freitags und samstags die Tafel geputzt und den Boden in den Schulen gekehrt, so der Politiker in der SWR-Sendung «Zur Sache!».
«Ich wäre dafür, dass das wieder eingeführt wird in den Klassenräumen», sagte Arnold. «Das würde uns finanziell entlasten und würde vielleicht auch ein Stück Verantwortung wieder zurückgeben an die Schülerinnen und Schüler und auch an die Lehrer.» So bewerten die Betroffenen die Idee:
Schülervertreter sprechen von «unsinnigem» Vorschlag
«Der Vorschlag von OB Richard Arnold ist aus unserer Sicht unsinnig und nicht zielführend», kritisierte der Landesschülerbeirat Baden-Württemberg. Das Einsparpotenzial durch eine solche Maßnahme sei überschaubar. «Zum anderen ist es im ohnehin schon eng getakteten Schulalltag kaum möglich, Schülerinnen und Schüler zusätzlich zum Putzen heranzuziehen.»
Arnold sagte dem SWR, wenn Kinder und Jugendliche mit anpackten, könne man die Einsatzzeiten der professionellen Reinigungskräfte reduzieren. «Das würde 200.000 bis 250.000 Euro pro Jahr bedeuten.» Man werde diese Sparmaßnahme für den nächsten städtischen Haushalt vorschlagen, in dem ein Loch von acht Millionen Euro klaffe.
Ferner kritisierte der Landesschülerbeirat: «Da die Pausen der Erholung dienen – nicht der Reinigung –, müssten sie Unterrichtszeit opfern.» Auch nach dem Unterricht sei das Putzen der Klassenzimmer nicht möglich, weil die Schüler ihre meistens knapp getakteten Busse erreichen müssten.
Elternvertreter fordern auskömmliche Finanzierung der Schulen
Elternvertreter forderten statt Schülern als Putzhilfen eine auskömmliche Finanzierung der Schulen durch die Kommunen und das Land. «Die eklatante Finanznot der Kommunen muss politisch gelöst werden», sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Sebastian Kölsch. «Aber Narrative, die Kinder und Jugendliche als eine Art verschmutzende Schmarotzer darstellen, die gefälligst mit anpacken müssen, verkennen die Pflicht der Kommunen, Kinder zu ihrem Recht auf Bildung zu verhelfen.»
Schüler würden sich zudem bereits heute für die Sauberkeit an Schulen engagieren. «An vielen Schulen im Land sind Schülerinnen und Schüler regelmäßig eingesetzt, sich um die Sauberkeit des eigenen Schulgebäudes zu kümmern», sagte Kölsch. «Das reicht von Hofdiensten über Klassenzimmerdienste bis hin zu Sauberkeitsbotschaftern, die ihre Mitschüler bei Bedarf erinnern, dass es auch einen Mülleimer gibt.»
Kultusministerin spricht von gemeinsamer Verantwortung
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) teilte mit: «In erster Linie gehen Kinder in die Schule, um zu lernen und sich zu verantwortlichen und mündigen Persönlichkeiten zu entwickeln». Der Grund, warum diese Geschichte viele bewege, habe ihrer Ansicht nach einen tieferliegenden Grund: Es gehe «um die berechtigte Frage: Was tun wir, um unser Zusammenleben verträglich und produktiv zu gestalten? Und zwar alle miteinander».
Es könne nicht darum gehen, Schüler nun Toiletten putzen zu lassen. «Aber dass wir nicht jeden Service und jede erbrachte Leistung um uns herum für selbstverständlich halten, sondern uns bewusst machen, was für ein Aufwand und welche Mühe auch hinter Kleinigkeiten und angeblich Selbstverständlichem stecken, das ist sehr wohl wichtig», so Schopper weiter.
In einer Gemeinschaft sei es sehr wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Alles, was Schule hier leisten könne, unterstütze sie sehr. Dazu könne auch gehören, dass man gemeinsam Verantwortung für mehr Sauberkeit im eigenen Umfeld übernehme. «Saubären müssen wir zur Verantwortung ziehen, um sauber zu machen.» Man wisse längst, dass man Dingen, die man selbst gepflegt oder eingerichtet habe, eine andere, eine höhere Wertschätzung entgegenbringe.
Kommunen sehen «dramatische Schieflage» bei den Finanzen
Der Gemeindetag spricht von einer «dramatischen Schieflage» in Bezug auf die Kommunalhaushalte. «Dies ist keine abstrakte Feststellung, sondern mit ganz konkreten Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen verbunden.» Die Städte und Gemeinden seien gezwungen, bei allen Aufgaben nach Einsparmöglichkeiten zu suchen. Der Vorschlag, die Nutzer öffentlicher Einrichtungen - wie hier die Schüler - stärker einzubeziehen, werde dabei sicherlich eine Rolle spielen.
2025 laufen die Gemeinden, Städte und Landkreise nach Angaben des Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Joachim Brötel, bundesweit auf ein Minus von mehr als 30 Milliarden Euro zu, in den Folgejahren ebenso. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände schreibt: «Die kommunalen Rücklagen sind vielerorts bereits vollständig aufgezehrt.»
Gewerkschaft ruft zu Demonstration auf
Verdi Baden-Württemberg ruft unter dem Motto «Kommunen am Limit - Demokratie am Abgrund» am 8. November in Stuttgart zu einer Demonstration für die Stärkung der kommunalen Finanzen auf. Landeschefin Maike Schollenberger sagte laut einer Mitteilung mit der Überschrift «Kinder sind keine Reinigungskräfte»: «Dass Schülerinnen und Schüler die Arbeit von Reinigungskräften ersetzen sollen, ist auch eine Frechheit gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen, die für diese Arbeit qualifiziert sind.»
Arnold sorgte schon früher überregional für Aufsehen
Arnold ist seit 2009 Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd. Die Kommune steht - wie viele andere - finanziell massiv unter Druck. Es ist nicht das erste Mal, dass der CDU-Politiker mit einer Idee überregional für Aufsehen sorgt: So war er 2013 in die Kritik geraten, weil er Flüchtlinge Koffer von Bahnreisenden wegen Bauarbeiten über eine Brücke tragen ließ. In Berichten war von Ausbeutung und Kolonialstil die Rede. Arnold begrub das Projekt, obwohl die Stadt es vor allem als sinnvolle Beschäftigung sah.
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