Lea-Leiter Berthold Weiß unterhält sich beim Fastenbrechen in der Kantine mit Abdulrasak Fousseni (links) und dessen Frau Jamila Kiargo aus Togo. Foto: Schmidt
Baden-Württemberg
Zu Ramadan: Ruhe im Flüchtlingsheim in Ellwangen
  • Thomas Burmeister

Ellwangen. Eigentlich fehlt nur noch der Muezzin. Doch auch ohne seinen Ruf wissen die Muslime unter den Flüchtlingen in Ellwangen, dass es Zeit ist für das Gebet zum Sonnenuntergang. Für das Gebet und dann, endlich, auch für das Abendessen. Ramadan, die muslimische Fastenzeit, wird in der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen von einigen praktiziert.

Es gibt Datteln und Fladenbrot, Salat, Farfalle mit Tomatensoße (mild) oder Fischgulasch (scharf) mit Reis. Vor dem Speisesaal werden blaue Armbändchen überprüft und Ausweise gescannt. Zugang zum „Iftar“, dem abendlichen Fastenbrechen, bekommt nur, wer sich angemeldet hat.

„Das ist unser vierter Ramadan, wir sind inzwischen gut organisiert“, sagt Berthold Weiß (55), der Leiter der Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) in Ellwangen. Früher sei es vorgekommen, dass sich Nicht-Muslime unter die Gläubigen mischten, um sich ein spätes, für sie zweites Abendessen zu besorgen. „Wir bemühen uns, Spannungen zu vermeiden.“

Das gilt erst recht seit die Lea am Stadtrand von Ellwangen vor einem Monat in die Schlagzeilen geriet. Als Polizisten am 30. April einen Mann aus Westafrika zur Rückführung nach Italien abholen wollten, sahen sie sich von rund 150 Flüchtlingen so sehr bedroht, dass sie wieder abzogen. Drei Tage später demonstrierte die Staatsmacht mit einem Einsatz hunderter Polizisten in der Lea Stärke. Mehrere mutmaßliche Rädelsführer wurden festgenommen, der gesuchte Afrikaner ist inzwischen nach Italien abgeschoben worden.

Heute erinnert in der Lea so gut wie nichts mehr an das dramatische Geschehen, das heftige Debatten über „rechtsfreie Räume“ in Deutschland ausgelöst hatte. Bei einem Besuch zur „Halbzeit“ des muslimischen Fastenmonats, der noch bis zum Abend des 14. Juni begangen wird, bietet die Einrichtung ein Bild der Ruhe und Friedfertigkeit – genau wie es im heiligen Monat der Muslime sein soll.

160 der derzeit 490 Bewohner der Lea haben sich in die Ramadan-Liste eingetragen. Syrer und Türken, auch einige wenige Chinesen und Inder. Die meisten Flüchtlinge in Ellwangen stammen aus Westafrika, aus Nigeria, Guinea, Gambia, Kamerun oder Togo. Ihre Chancen auf eine positive Asylentscheidung gelten als äußerst gering. Zudem bleiben in sie der Lea nur sechs Monate, ehe sie eine weitere vorläufige Unterkunft in einem der Stadt- oder Landkreise erhalten.

„Ja, es stimmt, eigentlich sind wir immer noch Reisende und da würde Allah uns wohl verzeihen, wenn wir den Ramadan verschieben“, sagt Abdulrasak Fousseni (31) aus Togo. Er sei zusammen mit seiner Frau Jamila Kiargo (25) von Libyen aus in einem Boot nach Italien gekommen. Dort wurde vor sechs Monaten ihr Sohn Hussein geboren. Kurz darauf machte sich die Familie auf den Weg nach Deutschland. „Unser Sohn soll es mal besser haben, in Italien ging es uns schlecht“, sagt Fousseni. „Den Ramadan hätten wir dort kaum begehen können“, fügt seine Frau hinzu. „Da hieß es ,Iss oder stirb‘, selbst wenn sie uns Schweinefleisch gaben.“

In Ellwangen gibt es zwei Hauptgerichte zur Wahl, an diesem Abend Fisch oder vegetarische Kost. Wer will, darf auch selbst kochen. „Muslime aus verschiedenen Ländern essen nicht alle die gleichen Gerichte. Wir Togoer lieben Scharfes mit Maniok, die Syrer hier mögen das gar nicht.“ Der zusätzliche Aufwand – vom Frühstück vor Sonnenaufgang bis zum abendlichen „Iftar“-Essen – gehöre einfach dazu, sagt Weiß. Die Cateringfirma ziehe im Rahmen der finanziellen Vorgaben bereitwillig mit.

Es kommt vor, dass Weiß gefragt wird, ob das Iftar-Essen nicht ein bisschen zu viel des Guten sei. Flüchtlinge, noch dazu aus bettelarmen Ländern, sollten doch zufrieden sein, dass sie überhaupt beköstigt werden, bekommt er manchmal zu hören. „Das ist eine Frage des Respekts“, erwidert Weiß dann. „Wir verlangen zu Recht, dass sie unsere Regeln und unsere Lebensweise respektieren. Da sollten wir auch ihnen und ihrem Glauben mit Respekt begegnen.“