
- Bruno Knöller
Stuttgart. Es ist unmöglich, ein Konzert zu beschreiben“, hat der italienische Liedermacher und Musiker Angelo Branduardi in einem Interview einmal gesagt. Versuchen wir es dennoch.
Der Barde, der in der Nähe Mailands das Licht der Welt erblickte und in Genua seine Kindheit verbrachte, ist ein Mensch, der nicht mehr die großen Massen anzieht.
Den großen Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle füllt der Meister der leisen Töne mit 800 Getreuen allenfalls zur Hälfte, während gleichzeitig in einem vollen Nebensaal die Altrocker von Uriah Heep einen lauten musikalischen Kontrapunkt setzen. Ist eher besinnliche Musik nicht mehr en vogue?
Dabei hat der 68-jährige Barde vor rund 40 Jahren mit „La pulce d’aqua“ („Der Wasserfloh“) einst die Hitparaden angeführt. Dieser locker-flotte Ohrwurm und auch andere bekannte Lieder wie „Alla fiera dell’est“ („Auf der Messe im Osten“),, „La Luna“ („Der Mond“) und „Cogli la prima mela“ („Nimm den ersten Apfel“) – alle aus jener Schaffensperiode – erklingen erst kurz vor Ende des unaufgeregten Konzerts. Den Freunden poetischer Texte und eingängiger Melodien fällt diese „Wartezeit“ nicht schwer. Schließlich hat der begnadete Sänger, diplomierte Violinist und routinierte Gitarrist schon zuvor einiges zu bieten. Daran ändert auch sein leicht missglückter Auftakt nichts, als einige Geigentöne schräg daherkommen, noch bevor Branduardi sein erstes Lied „Si Puo Fare“ („Man kann es so machen“) anstimmt. „Entschuldigung“ ist deshalb sein erstes deutsches Wort an diesem Abend, ehe er neu ansetzt. Er erklärt später vieles auf Deutsch und singt alles auf Italienisch.
Doch es wird immer besser. Dem „Sonnengesang“ von Franz von Assisi, eine Lobpreisung Gottes, lässt er eine Ballade folgen, die ebenfalls dem großen Heiligen seines Landes gewidmet ist. In „Il Sultano di Babilonia e la Prostituta“ („Der Sultan von Babylonien und die Prostituierte“) schildert er Franz von Assisis Aufbruch vor rund 800 Jahren nach Palästina und dessen vergeblichen Versuch, die Muslime zum Christentum zu bekehren. Dafür lernen sich er und der Sultan bei Assisis drei Reisen kennen und schätzen. Wenn Branduardi also sagt „Ich habe nie politische Lieder geschrieben“, sei vorsichtiger Widerspruch erlaubt. Diese Begegnung und das Lied dazu machen deutlich: Ein friedliches Miteinander der Religionen ist möglich und nötig. Damit wandelt der Künstler, der zudem traditionelle Volksmusik verschiedener Länder in neue Gewänder kleidet, auf den Spuren seines großen Vorbilds Cat Stevens (Yusuf Islam).
Und Branduardi entwickelt sich weiter: Seit 1996 sind acht Alben seines Projekts „Futuro Antico“ erschienen, vor allem als Interpret italienischer Renaissancemusik. Was er auch anpackt, ist all seinen Liedern gemein: Er verbreitet ein wohlig-warmes, wohnliches Wir-Gefühl. So auch an diesem Abend in der Stuttgarter Liederhalle – wenngleich das laut Branduardi nur eine unzureichende Wiedergabe dessen sein mag, was die Atmosphäre seiner Auftritte ausmacht. Ist es auf diese Weise unmöglich (s)ein Konzert zu beschreiben?