
- Michael Müller
Pforzheim. Ganz in Schwarz betritt Andreas Rebers die Bühne, setzt sich ans E-Klavier, nimmt die Brille ab und klebt sich einen Hitler-Bart an die Oberlippe. „Hallo, ihr Nazis!“ Der Ton ist gesetzt. Erdolf aus Ankara verfällt in Fantasie-Türkisch. Was im mit 120 Zuschauern gefüllten großen Saal des Kulturhauses Osterfeld folgt, ist bitterböse Satire, eine unterhaltsame Teufelsaustreibung. Der Geistliche der von ihm gestifteten Religionsgemeinschaft der Bitocken sei praktizierender Exorzist, sagt der Kabarettist. „Wir wollen heute Abend kein Öl ins Feuer gießen, wir wollen die Kirche im Dorf anzünden.“ Nach „Predigt erledigt“ und „Rebers muss man mögen“ bildet das aktuelle Programm „Amen“ den vorläufigen Abschluss einer Trilogie des Glaubens.
Andreas Rebers steht schon seit Anfang der 1990er-Jahre auf der Bühne, ist mit diversen Preisen ausgezeichnet und trat zuletzt immer wieder mal bei „Nuhr im Ersten“ auf. Ein streitbarer Geist, der sich mit großer Lust am Jonglieren und Vorführen von Vorurteilen sowie an politischer Unkorrektheit gegen Manipulation, Dogmen und Dummheit zur Wehr setzt. „Woher kommt dieser Hass? Diese Intoleranz gegenüber Gewalt?“ fragt er.
Seine Wortsalven können jeden treffen. Gutmenschen wie glückliche Pärchen. Merkels „Miau“ zu Erdogan, Andrea Nahles zur Willkommenskultur genauso wie Gesine Schwan in „widerlichen Talkshows“. Weil die AfD aus der Mitte gewählt wurde, seien auch die Grünen an deren Erfolg mit schuld. Überhaupt sei die AfD nur die Grundsuppe. Was noch fehlt, seien Einlagen wie Altersarmut oder Massenarbeitslosigkeit. Die „Heulsusenpädagogik“, die mitunter fette Kinder hervorbringt („Es hat sich ausgeturnt in Germany“), besingt Rebers: „Teilen, teilen, das macht Spaß“. Um trocken hinterherzuschieben: „Damit wirst du nichts bei der Deutschen Bank.“
Rebers Analysen sind vielschichtig, absurd, manchmal bitterernst und gnadenlos zynisch. „Die Eliten sehen wir gar nicht, und in der Mitte kommt nichts an.“ Verantwortliche für die Bankenkrise kämen in lächerlichen Urteilen ungeschoren davon. In fiktiven Zwiegesprächen lässt er Volkes Stimme zu Wort kommen und nimmt dabei in seinem „Kabarett der radikalen Mitte“ extreme, polarisierende Positionen ein. Sei es im Dialog mit Mieterin Frau Hammer, die aus dem Radfahren eine Weltanschauung macht, oder mit Frau Flüchtling, die in seiner Münchener 800-Quadratmeter-Wohnung das „German Putzing“ lernen will. Und er vermisst Haltung in unserem Land.
Seine poetische Seite lebt Rebers musikalisch aus, am Klavier oder Akkordeon. Wenn auch die Verse politisch sind, die Balladen oder Chansons werden bei all den Verbalattacken zu so etwas wie einem kleinen Rückzugsort in einem gut zweistündigen Programm, das gewiss nichts für zartbesaitete Gemüter ist. Das Publikum im Osterfeld feiert ihn dennoch. Zu allem Ja und Amen sagen wird es aber gewiss nicht.