Rockt, was das Zeug hält: Die Panik-Band auf der Bühne beim Calwer Klostersommer. Talmon
Gewann den Sonderpreis der Sparkasse: Caro Kunde.
Niedlich: Fee.: Singer/Songwriterin aus Frankfurt.
Der Panikrocker, flankiert von „Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler.
Wie gewohnt mit Hut und Sonnenbrille: Udo Lindenberg.
Joke, Sänger von 2ersitz. Die Band gewann den Lindenberg-Panikpreis.
Heimatverbunden: Sebel aus Recklinghausen.
Kultur
Der Udo reißt’s raus: Sänger begeistert mit seiner Show rund 1850 Fans

Es schüttet wie aus Kübeln, es gießt, kein Fitzelchen trockene Klamotten mehr am Leib. Und was machen die da vorne? Labern, labern, labern. Dabei wollen die 1850 Menschen hier doch nur einen: Udo! Udo! Udo! Der Nebel über dem Lindenberg hebt sich kurz, um die Fans im fast magisch wirkenden, wolkenverhangenen Hirsau mit einem Lied zur Gitarre zu beglücken: „König von Scheißegalien“.

Und für einen der wenigen humorvollen Momente dieses Calwer Klostersommers zu sorgen: „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler liest Hesse, chic im weißen Hosenanzug und mit kulturvierter Stimme. Lindenberg soll mitmachen, doch kann den Text nicht lesen und dichtet den „Dichter“ kurzerhand um, zum amourösen Rendezvous mit einer Nixe.

Was folgt? Fast drei dröge Stunden – mit ein bisschen Musik und viel Gerede. Dafür ist überwiegend der humorbefreite Arne Köster, Lindenbergs PR-Mann, zuständig, der ausführlichst die drei Preisträger der Hesse-Stiftung vorstellt. Da wird dann brav gesungen, zwischen Singer/Songwriter und Mainstream-Pop von der niedlichen Fee. aus Frankfurt und dem heimatverbundenen Sebel aus Recklinghausen, jeweils mit Band. Alles nette junge Leute, alle brav und gesittet – und alle eine Spur zu langweilig. Nichts wirklich Neues, nichts wirklich Mitreißendes, während der Regen immer kälter den Rücken hinunter rinnt. Sparkassen-Preisträgerin Caro Kunde hat ein Hesse-Gedicht vertont. Welches? Keine Ahnung. Kein Wort zu verstehen, dafür viel Gefuchtel mit den Extremitäten.

Dabei hätten alle doch so gerne getanzt. Ein Hoffnungsschimmer: 2ersitz. Die Sieger des Lindenberg-Panikpreises aus Leipzig lassen mit ihren Bassisten Pascoal Uamba mit Rastafrisur Hoffnung aufkeimen. Dann gibt es eine Spur Reggae. Aber keine echte Show.

Die liefert dann endlich – es ist inzwischen 22.17 Uhr – Udo Lindenberg mit seiner Panik-Band und dem ganzen großen Ensemble an Musikern, Sängern und Kids on Stage, die mit ansteckendem Spaß das Ende der strapaziösen Stadiontour feiern. Endlich geht den Musikfans ein Licht auf: im Wortsinn. Denn die Beleuchter scheinen zu entdecken, dass es auch farbige Scheinwerfer gibt. Doch schon wieder werden Reden geschwungen, vom Panik-Chef höchstpersönlich. Lindenberg schwadroniert über CDU und Erdanziehung,über Elfen und Trolle und natürlich über Hesse. Und Furtwängler liest aus seinem Schnulzenroman „Gertrud“.

Klingt alles nicht so toll? Doch! Doch! Doch! Denn wenn Udo mit seiner Musik loslegt, gibt es kein Halten mehr. Die Menge gerät in Bewegung, singt lautstark mit – bei „Mein Ding“, „Durch die schweren Zeiten“, „Cello“ und all den alten Hits. Jetzt geht die Party richtig ab, bis nach 24 Uhr. Da gibt es gigantische Bläsersätze, mitreißende Gitarrensoli unter anderem von Carola Kretschmer bei „Stärker als die Zeit“, wunderbare Duette mit Nathalie Dorra („Das Leben“), Ina Bredehorn und Joe Linde, der den immer mal wieder mit Eierlikörchen gurgelnden Lindenberg stimmlich unterstützt.

Und natürlich die Panik-Band mit Steffi Stephan am Bass, Jean-Jacques Kravetz am Klavier, Bertram Engel am Schlagzeug und Hannes Bauer an der Gitarre, die rockt, was das Zeug hält. Da kann keiner mehr stillstehen – bis zur grandiosen Zugabe „Reeperbahn“. Und wenn die Kids on Stage bei ihrem letzten Auftritt in „Den Frieden ziehen“, sind bei manchen die Augenwinkel so feucht die wie Klamotten.