
- Gabriele Meyer
Stellen wir uns mal Folgendes vor: Zwei junge Schauspieler stehen sich in einer ersten Probe als Romeo und Julia auf einer Freilichtbühne gegenüber. Sie kennen sich nicht, sie sehen sich an, er nimmt ihre Hand – und schon ist es um beide geschehen. Es kommt nicht so häufig vor, dass Shakespeares Liebespaar sich aus der Fiktion derart blitzschnell in die Realität katapultiert.
„Coup de foudre“ sagen die Franzosen dazu, wenn die Liebe auf diese Weise einschlägt. „Es hat sofort gefunkt“, bringen es Heidrun Schweda und Jens Peter etwas nüchterner auf den Punkt. Und doch schwingt heute, genau 30 Jahre danach, noch ganz viel Emotion mit – Freude darüber, dass einem das Leben jenen Menschen beschert hat, mit dem man gemeinsam die Höhen und Tiefen meistert und dem man vertraut. „Harmonisch“, meint Jens Peter, sei das, was man gemeinsam lebe.
Jahrelange Fernbeziehung
Vertrauen – ein wichtiges Wort in dieser Beziehung, die, das versichern beide, durchaus nicht immer ganz friedlich und konfliktfrei abgelaufen ist. Sechs Jahre hindurch nach dem alles entscheidenden Moment musste sie sich in einer Fernbeziehung bewähren – beide waren an verschiedenen Theatern engagiert. Nicht ganz einfach, wenn die Sehnsucht groß ist und die Eifersucht sich aus dem dunklen Versteck traut. Da war Feuer unterm Dach, es knallten schon mal Türen – und ein einziges Mal flog auch ein Glas dem Partner hinterher. „Außerhalb des Theaters hat er ein italienisches Temperament“, gibt Heidrun Schweda ein Geheimnis preis, das kaum jemand hinter dem ruhigen Jens Peter vermutet und eher der lebhaften Pfarrerstochter zuschreibt. Aber: „Da nehmen wir uns nichts“.
Es war wie ein Hauptgewinn, als das Paar, zu dem inzwischen neben der Tochter, die Heidrun Schweda mit in die Ehe gebracht hat, auch Sohn Raphael gehört, 1997 gemeinsam an das Pforzheimer Theater engagiert wurde. Die fast strategische Aufgabe, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen, hat man gemeistert. Streng achtete man auch darauf, beruflich nicht als Einheit wahrgenommen zu werden, sondern die zwei eigenständigen künstlerischen Persönlichkeiten in den Vordergrund zu stellen: „Manche Kollegen wussten gar nicht, dass wir verheiratet sind.“ Und während Vertrauen und Harmonie wuchsen, flogen auf der Bühne die Fetzen. In „Offene Zweierbeziehung“ und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ haute man sich die Gemeinheiten nur so um die Ohren und ging auch körperlich in die Vollen – zuhause, erinnert sich Heidrun Schweda, war die Tonlage anders. „Wir mussten das ausgleichen. Da ging es in dieser Zeit umso inniger und zärtlicher zu.“
21 Jahre ist man inzwischen in der Goldstadt, beruflich geht Heidrun Schweda unerschrocken neue Wege mit eigenen Bühnen-Programmen und Workshops. Ihr Traum: Regie führen. An ihrer Entschlossenheit, sich da durchzusetzen, besteht kein Zweifel, Leisetreterei ist ihre Sache nicht. Jens Peter, der augenblicklich für den Mephisto im „Faust“ probt, hat da keine Ambitionen. Aus einer Theaterfamilie stammend, geht er den schnurgeraden Weg als Schauspieler weiter.
Junge Großeltern
In der gemütlichen Wolfsberg-Wohnung mit dem weiten Blick ist es ruhiger geworden. Die Tochter lebt in Berlin, der Sohn ist ausgezogen und hat geheiratet. Der fünf Monate alte Merlin hat das Paar – man glaubt es kaum – zu faszinierten Großeltern gemacht. Die sehen heute wahrlich anders aus als noch vor Jahrzehnten. Nur ein Versprechen, das Jens Peter seiner Heidrun gegeben hat, konnte er nicht einlösen – niemals wieder zu einer anderen Frau die Liebesworte aus Romeo und Julia zu sprechen. Mit dem Romeo wurde er noch zweimal besetzt. Aber das ist etwas, was Heidrun Schweda leicht wegsteckt.