Die Kirche „Gelmeroda II“ – gemalt im Jahr 1913.
Neue Galerie New York/Hulya Kolabas
Kultur
Ein Weltstar kehrt zurück: Lionel Feininger im PZ-Forum vorgestellt

Pforzheim. Claudia Baumbusch stellte den berühmten Künstler Lyonel Feininger und sein bewegtes Leben im PZ-Forum vor.

Lyonel Feininger ist sich treu geblieben – ein Leben lang: seinen Prinzipien, seiner Kunst und vor allem seinen Motiven. Bestes Beispiel: Sein Blick auf die kleine Kirche in Gelmeroda bei Weimar. Klar, sein Malstil verändert sich im Lauf der Jahrzehnte, aber die Faszination bleibt. Von der ersten Begegnung im Jahr 1906 mit dem mittelalterlichen massiven Dorfkirchlein mit dem überdimensioniert spitzen Turm, das für ihn eine mystische Aura ausstrahlt, bis zur aus der Erinnerung geschaffenen Lithografie im amerikanischen Exil von 1955.

„Feininger malte nicht den Stein, sondern den Geist des jeweiligen Ortes.“

Der Kunsthistoriker Hans Hess

Zehn große Gemälde, rund 40 Zeichnungen und Aquarelle, zahllose Skizzen, eine Radierung, 14 Holzschnitte und eine Lithografie entstehen – geprägt von der kubistisch-expressionistischen Frühphase, über die berühmten kristallinen Flächen bis zu den fast transparenten Farben des Spätwerks. „Feininger malte nicht den Stein, sondern den Geist des jeweiligen Ortes“, beschreibt der Kunsthistoriker Hans Hess (1908-1975).

Start mit Karikaturen

Wie vielfältig das Werk des Bauhaus-Lehrers ist, schildert Kunsthistorikerin Claudia Baumbusch in ihrem Vortrag im ausverkauften PZ-Forum. Und sie zeigt auf, wie sich ein roter Faden durch das so vielfältige Oeuvre zieht. Da sind beispielsweise die Karikaturen, mit denen der mit 16 Jahren von New York nach Berlin übergesiedelte Feininger früh reüssiert. Die Titelblätter von Zeitschriften wie „Lustige Blätter“ und „Chicago Sunday Tribune“ zieren seine oft politischen Karikaturen, und auch die letzten Werke des 1956 im Alter von 84 Jahren verstorbenen Künstlers sind schnell dahingeworfene Zeichnungen mit – wie er es wohl selber formuliert hätte – „Witzblatt-Figuren“. Überhaupt malt Feininger keine Porträts. Seine Figuren sind Typen, die – wie er selbst – oft schlaksig und auf langen Beinen durch die Welt stiefeln.

Faszination Ostsee, Meer und Schiffe: Besucherinnen betrachten die Bilder Lyonel Feiningers in der großen Retrospektive in der Frankfurter Schirn Kunsthalle.
Norbert Miguletz

Von der Ostsee fasziniert

Neben der großen Naturverbundenheit, die sich in Tausenden von Skizzen und Fotografien auch für spätere Gemälde manifestiert, sind es Technik und Geschwindigkeit, die den Maler reizen. Selbst begeisterter Radfahrer, setzt er diese Art der Fortbewegung in rasanten Gemälden wie „Die Radfahrer (Radrennen)“ um, malt immer wieder Eisenbahnen und Viadukte – auch mit Sinn für die guten alten Zeiten, die er in der Architektur deutscher Städte und Dörfer so liebt. Und dann sind da natürlich die Dampfer und Schiffe, die ihn seit seiner Jugend am New Yorker Hudson River begleiten. Über viele Jahre hinweg macht die Familie Feiniger Urlaub an der Ostsee – meist in Deep, wo ganze Bilderfolgen entstehen.

Auch sie sind in der sehenswerten Retrospektive in der Frankfurter Schirn Kunsthalle noch bis 18. Februar ausgestellt. Ein umfassendes und überraschendes Gesamtbild des Schaffens, das in diesem Umfang erstmals seit über 25 Jahren zu sehen ist – mit Leihgaben aus deutschen und vielen internationalen Museen, öffentlichen wie privaten Sammlungen. Denn das Oeuvre Feiningers ist durch die Nazis und ihre „entartete Kunst“ teilweise zerstört und zerstreut worden. Etwa die wunderbare Serie der „Halle“-Bilder, von denen drei inzwischen auf zum Teil abenteuerliche Weise in das ehemalige Atelier in der Moritzburg zurückgekehrt sind. Und gleich einem Polit-Krimi erzählt eine spannende MDR-Reportage (www.pzlink.de/odyssee), wie der Freund und Ziehsohn Feiningers, Hermann Klumpp, in Quedlinburg einen großen Teil des Kunstschatzes zuerst vor den Nazis und dann vor der Stasi rettete. Denn in Absprache mit dem Künstler bewahrt er die Gemälde, Zeichnungen und Grafiken in seiner Wohnung auf – versteckt vor dem NS-Regime und der russischen Besatzungsmacht. Bis dann die DDR-Staatsmacht in einer Nacht- und Nebelaktion 1972 die Gemälde abtransportiert. Da ist der nicht zuletzt seit seiner großen Ausstellung im MoMA in New York im Jahr 1955 gefeierte Rückkehrer zum Weltstar avanciert – und wird entsprechend teuer gehandelt.

Und wieder die Kirche im Dorf bei Weimar:„Gelmeroda VIII“ von 1921.
Whitney-Museum of American Art New York

Stets im Augenblick gelebt

Inzwischen ist das Werk in alle Welt verstreut. Vielleicht ganz im Sinne Feinigers? „Er hat nur im Augenblick gelebt, hat nie Wert darauf gelegt, eine angestammte Heimat zu haben. Das war seine Freiheit“, sagt jedenfalls sein Enkel Conrad.

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