





- Sandra Pfäfflin
Pforzheim. Allein 2000 Bilder hat Gabriele Münter (1877–1962) gemalt, dazu kommen unzählige Zeichnungen und rund 1200 Fotografien. Ein bewegtes Leben mit zwei Weltkriegen und einer großen, gescheiterten Liebe bestimmen die biografischen Daten einer Künstlerin, die Zeitströmungen stets ihr Werk aufgenommen hat und einen unglaublich vielfältigen Bilderkosmos entfaltet. Anlässlich der Ausstellung im Münchner Lenbachhaus, die seit der Eröffnung am 30. Oktober bereits über 15.000 Besucher angelockt hat, stellte Claudia Baumbusch im PZ-Forum Leben und Werk der gebürtigen Berlinerin vor.
Die Fotografien
Nach dem Tod der Eltern macht sich die 20-Jährige mit ihrer Schwester auf zu einer großen USA-Tour, wo sie Verwandte besucht. Und wo sie – ungewöhnlich für eine Frau in dieser Zeit – rund 400 Fotos aufnimmt. Bereits hier beweist sie ihr „Gespür für den richtigen Augenblick“, sagt Baumbusch. Über die Fotografie steigt Münter in die Bildgestaltung ein. 1901 beginnt sie ihr Studium an der Malschule „Phalanx“, die von Wassily Kandinsky gegründet wurde. Während eines Aufenthalts in Kochel am See verlieben sie sich: die junge Malerin und der zehn Jahre ältere, verheiratete Russe.
Spätimpressionismus
Eine unmögliche Liebe, eine heimliche Verlobung und eine Flucht: Ab 1904 beginnt das Paar zu reisen. Unter anderem nach Tunis – neun Jahre bevor Macke und Klee dort ihre berühmten Bilder malen. Von der Sonne getränkte Gemälde entstehen, ganz im spätimpressionistischen Duktus mit bewegtem Farbauftrag. Münter zieht weiter nach Paris, taucht in die Kunstszene ein. Sie malt wie ihre Zeitgenossen Cézanne und Matisse atmosphärisch dichte Bilder.
Expressionismus
Im Jahr 1908 hat Münter ihr „Coming Out“, sagt Baumbusch. „Die Augen waren aufgegangen – ich sah und malte“, schreibt Münter selbst. „Eine – kurze – Zeit, in der die Künstlerin Kandinsky überholt mit ihrer Modernität, Radikalität und dem Umgang mit Farbe und Fläche. Ihre berühmten Murnau-Bilder entstehen, geprägt vom Spiel mit den Primärfarben. Und Münter wird wichtige Protagonistin des Blauen Reiters.
Abstraktion
Als der Erste Weltkrieg ausbricht, hat Kandinsky bereits seinen Weg in die Abstraktion gefunden. Doch der Russe muss zurückkehren in sein Heimatland und lässt Münter zurück. Die zieht 1915 nach Skandinavien, um ihrem Geliebten näher zu sein, malt „eine Liebeserklärung“ an Kandinsky – eines ihrer wenigen abstrakten Bilder. Doch Kandinsky meldet sich nicht, heiratet vielmehr eine noch jüngere Russin, streitet sich mit ihr per Anwalt über seine in Murnau zurückgelassenen Bilder.
Kubismus/Neue Sachlichkeit
Jahre der tiefen Depression und des Umherziehens folgen. Sie malt die Reihe ihrer „Sinnenden“ – melancholisch blickende Frauen, deren Körper teils in kubistischer Manier klar segmentiert und umrissen sind. Wieder nimmt sie die aktuellen Kunstströmungen in Berlin auf, wendet sich der Neuen Sachlichkeit zu, ohne dabei sozialkritische Themen aufzugreifen.
Primitivismus
1931 kehrt Münter nach Murnau zurück – ein Rückzug ins Privatleben und in die Kunst. Fast schon märchenhaft naiv muten ihre Landschaften an, der Versuch, sich den Anfängen ihrer Kreativität zu nähern. Den Krieg übersteht sie unbeschadet, versteckt und rettet ihren Bilderschatz. 1957 vermacht sie ihre umfangreiche Sammlung dem Lenbachhaus, das damit zum „weltbedeutenden Museum zeitgenössischer Kunst“ wird.