


Kann denn Baden Sünde sein? Angesichts der Coronavirus-Angst ist das Ausstellungs-Thema unerwartet aktuell
Baden-Baden. Baden ist für die einen einfach eine Frage der Hygiene, für andere Wellness und für manche richtig gefährlich. Der Ort, in dem das Planschen im kühlen und warmen Nass seit Jahrhunderten Tradition hat, rückt nun in Baden-Baden in den Fokus. „Körper. Blicke. Macht“ heißt eine Schau in der Staatlichen Kunsthalle, die die Kulturgeschichte des Bades seit der Antike beleuchtet.
Es geht um Warm-, Kalt- und Trockenbader. Und auch um Scheinheilige und Voyeure.
Alltagsgegenstände wie griechische Keramiken aus dem vierten Jahrhundert vor Christus, Hautschaber, Barbierschüsseln und Sandalen aus arabischen Hammams verweisen zunächst auf die Ursprünge der Badekultur. Zeichnungen und Stiche dokumentieren, wie aus Badehallen prächtige Paläste wurden. Sie waren zugleich Treffpunkte, in denen politisiert, geredet, gelesen, Sport getrieben und – wie im erzwungenen Freitod des römischen Philosophen Seneca – auch gestorben wurde. Eine moderne Installation einer Runde aufblasbarer bunter Philosophenfiguren von Paul Chan transferiert das Thema in die heutige Zeit.
Während die alten Griechen kalt badeten, um den Körper zu ertüchtigen, ließen die Römer es sich im warmen Wasser gut gehen. Eine frühe Form von Wellness, die vor allem von der Geistlichkeit kritisch beäugt wurde. Obgleich Männlein und Weiblein in der Regel streng getrennt waren, war Baden-Baden für den Straßburger Franziskanermönch Mathias Munzer schlicht ein „Sündenpfuhl“. Trotz solcher Schmähungen avancierte die 2000 Jahre alte Bäderstadt, die ihre Gründung ihren heißen Quellen verdankte, im 19. Jahrhundert zur Sommerhauptstadt Europas.
Im Bad sind auch Mächtige ungeschützt, wie „Der Tod des Marat“ zeigt. In Baden-Baden ist eine Version des berühmten Gemäldes aus dem Atelier von Jacques-Louis David zu sehen. Außerdem erinnert das Bild einer Badewanne an den nie ganz aufgeklärten Tod des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel in einem Hotel. Makaber sind die schwarzen Hände, die sich aus einem Ölbad recken. Eine Demonstration der Macht sind die Fotos zweier US-Reporter, die nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau in Hitlers Münchner Wohnung in der Badewanne posieren. Nacktheit erregt(e) die Gemüter – und Männer und Frauen gehen ganz unterschiedlich damit um. Das zeigen zum einen alte Stiche wie Albrecht Dürers „Männerbad“ und moderne Kunst wie die „Große Dusche III“ von Rainer Fetting, am krassesten aber die geheim aufgenommenen Filme der polnischen Künstlerin Katarzyna Kozyra in einem Männer- und in einem Frauenbad in Budapest.
Ein großes Thema der Schau ist der voyeuristische Blick vor allem auf die Frauen. Ansonsten verpönt, ist Nacktheit über die Jahrhunderte in biblischen oder mythischen Badeszenen salonfähig. Hemmungslos bedienen sich europäische Maler des 19. Jahrhunderts auch Klischees, wenn es darum geht, orientalische Frauen darzustellen: möglichst hüllen- und scheinbar auch zügellos.
Wasser, seit der Antike ein Inbegriff des Sauberen, wurde ab dem Mittelalter auch als Gefahr gesehen. Nicht nur für die Tugendhaftigkeit, auch für die Gesundheit. Es stand plötzlich im Verdacht, Krankheiten wie die Pest zu übertragen. Die Furcht, dass Epidemien sich an gemeinschaftlichen Orten ausbreiten, führt heutzutage dazu, dass wegen des Coronavirus Schulen schließen. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurde wegen solcher Ängste der Betrieb öffentlicher Dampfbäder eingestellt. Die Oberschicht ließ sich mit parfümierten Handtüchern abrubbeln. Zahlreiche Objekte aus dem 18. Jahrhundert wie ein „table de toilette“, eine Kosmetiktasche oder kleine Flakons dokumentieren das. Erst mit Erfindung der Seife war Wasser wieder en vogue. Ein Seifenautomat illustriert das genauso wie ein Blatt mit Hygiene-Regeln, das ein wenig an die Ratschläge zum Schutz vor dem Coronavirus erinnert.
Die Schau in der Kunsthalle Baden-Baden, Lichtentaler Allee 8 A, ist bis 21. Juni täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: sieben Euro.