Körperkunst und Varieté: Zum Jahresende sind wieder die beliebten „Winterträume“ zu sehen.
Rubens-Frau mit Rhythmus im Blut: Viktoria Lapidus und ihre goldenen Reifen.
... und dreht sich auf seinem hölzernen Schaukelpferd blitzschnell über die Bühne.
Kultur
Kraft, Eleganz und Poesie bei den „Winterträumen“ im Kulturhaus Osterfeld
  • Michael Müller

Pforzheim. Kunst mit menschlichen Körpern – damit verzücken die internationalen Varieté-Stars ihr Publikum. Auch in diesem Jahr entführen sie im Kulturhaus Osterfeld wieder in ihre „Winterträume“.

Wie im Vorjahr hat Leiterin Maria Ochs die Künstler ausgewählt. Obgleich sie selbst „Ästhetisches und Tänzerisches“ mag, versuche sie mit Regisseurin Katinka Rabenseifner, auf einen ausgewogenen Mix zu achten. Am Mittwochabend war Premiere vor mehr als 350 Gästen.

Was einst als feierliche Veranstaltung mit drei, vier Vorstellungen zwischen den Jahren begann, ist zu einem beliebten Format geworden, vor allem bei Familien. In dieser Saison stellt das Osterfeld-Team 28 Shows an 16 Tagen auf die Beine. Alle sind so gut wie ausverkauft, insgesamt werden mehr als 10.000 Zuschauer erwartet.

Und die haben viel zu lachen. Dafür sorgt der Berliner Comedian Archie Clapp, der mit trockenem Humor, „übersinnlosen Fähigkeiten“, Zauberei-Parodien und Schlagfertigkeit durch die zweieinhalbstündigen, sehr kurzweilig gestalteten „Winterträume“ führt.

Der junge Saleh Yazdani holt mit einem hölzernen Schaukelpferd als Requisite Kindheitserinnerungen auf die Bühne. Im Handstand reitet er mit schwindelerregenden Drehungen durch die Nacht, balanciert einhändig auf dem Pferdekopf oder drückt seinen muskulösen Körper kraftvoll in die Luft. In der zweiten Programmhälfte erzählt Saleh mit seiner Partnerin Anna Shvedkova zu pulsierender Klaviermusik eine intime Geschichte von junger Liebe, Sehnsucht und Zerrissenheit: mit schnellem Tanz und ruhigen, harmonischen Handstandfiguren, bei denen sie die Basis bildet – eine selten zu sehende Emanzipation.

Viktoria Lapidus, die Diva mit dem Hüftschwung, verknüpft beim Hula-Hoop-Auftritt Humor und Charme mit ihrem ganz eigenen Sex-Appeal. Am Körper und an den Händen schwingt sie die Reifen mit tollem Rhythmusgefühl zu Mambo-Musik. Ganz elegant bewegt sich Leonardo Sanchez am „Cyr Wheel“. Sieht aus wie ein Rhön-Rad, besteht jedoch aus nur einem mannshohen Reifen. Mit und in ihm wirbelt Sanchez über die Bühne, während vom Himmel Federn fallen – tempogeladen und spannend, voll visueller Poesie. Elli & Oscar hängen aneinander, im wahrsten Wortsinn. Die Akrobaten fliegen an den Köpfen der ersten Reihe vorbei, dass es den Atem raubt. Ihre flüssig choreografierten Bewegungen gleichen einem Tanz in der Luft, voll Vertrauen und Hingabe.

Auch Antonia Modersohn treibt in ihrer leicht lasziven Show den Puls des Publikums in die Höhe, wenn sie sich von der Bühnendecke am Chinesischen Mast rasend schnell kopfüber in Richtung Boden stürzt und erst im letzten Moment abbremst. Was mit fünf Ringen alles möglich ist, zeigt der US-Künstler Kyle Driggs. Bei seiner fesselnden Jonglage lässt er drei Regenschirme tanzen.

Ein Höhepunkt des Varietés ist der „Wall Clown“ Tobias Wegner. Seine Komik entsteht durch einen um 90 Grad gedrehten Perspektivwechsel: Während er auf dem Boden liegt, wirkt es auf der Live-Projektion, als ob er die Wand hochklettern würde. Das Spiel mit den Realitäten irritiert und begeistert. Wie die gesamten „Winterträume“, die das Premierenpublikum mit Ovationen feiert.

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