Gähnende Leere herrscht derzeit auch im Schmuckmuseum Pforzheim. Foto: Meyer
Kultur
Kunstmuseen wollen raus aus dem Lockdown und schreiben Brandbrief
  • Sandra Pfäfflin und Gerd Roth

Pforzheim/Berlin. Sie haben viel Platz, gute Klimaanlagen und Aufsichtspersonal – viele Museen in Deutschland sehen sich deswegen zu Unrecht im Lockdown. Nun preschen einige mit neuen Vorschlägen vor. Mit einem Brief an die Kulturverantwortlichen von Bund und Ländern haben sich die Leitungen führender Häuser für eine Öffnung der Museen stark gemacht. „Unsere Sorge gilt der Eindämmung der Pandemie, zugleich aber auch einer dem jeweiligen Verlauf von Corona angepassten Wiedereröffnung der Museen“, heißt es in dem Schreiben an Kulturstaatsministerin Monika Grütters sowie ihre Länderkollegen.

„Die Museen haben schon nach der Phase des ersten Lockdowns ihre Häuser mit großer Sorgfalt der neuen Situation angepasst“, schreiben die Verantwortlichen. Museen seien sichere Orte, in denen Hygienemaßnahmen strikt befolgt und „wie an keinem anderen öffentlichen Ort“ überwacht würden. Die meisten Museen verfügten über eine ausgefeilte Klimatechnik und Raumkapazitäten, die Bewegungsabläufe nach Distanzgebot steuern und entzerren könnten.

So sieht es auch die Leiterin des Schmuckmuseums Pforzheim, Cornelie Holzach: „Wir hatten im Sommer ja genügend Zeit zum Üben“. Denn während der zeitweiligen Öffnung nach dem ersten Lockdown habe sich alles gut eingespielt: nur Einzelbesucher oder Mini-Gruppen, Abstands- und Hygieneregeln, gute Belüftung und sogar die Schließung der Garderobe.

„Es ist Konsens, dass die Museen seit Beginn der Pandemie nicht als Orte eines Infektionsgeschehens aufgefallen sind“, sind sich auch die Verfasser des Grütters-Briefs einig. Museen könnten „für den Hunger auf Kultur ein Angebot machen, ohne die gesellschaftliche Solidarität in Frage zu stellen“. Dazu zählen etwa das schrittweise Herauffahren der Museen durch Bildungs- und Lernangebote für Schulen und zunehmend mögliche Individualbesuche in Museen bei Verzicht auf touristische Gruppenbesuche, Führungen oder Veranstaltungen. Schulklassen sollten unabhängig von Individualbesuchern in die Museen kommen können. Die Museen versprechen sich so „mehr Gerechtigkeit“ und „eine kulturelle Grundversorgung“.

Cornelie Holzach sieht in dieem Vorstoß auch die Notwendigkeit, „überhaupt wieder in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.“ Es sei symptomatisch, dass beim Erscheinen neuer Corona-Richtlinien die Museen nie auftauchten. Die würden erst in der zweiten Fassung nachgereicht. Nur wenn die Kultureinrichtungen Rabatz machten, würden sie bei der großen Politik Beachtung finden. Pforzheims Kulturbürgermeisterin Sibylle Schüssler ist der gleichen Auffassung: „Die Kultur muss jetzt laut werden, denn sie ist auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor.“

Unterzeichnet ist das Schreiben „sicher auch im Sinne weiterer Direktorinnen und Direktoren deutscher Kunstmuseen“ von mehr als 50 Museumsspitzen wie Michael Eissenhauer (Staatliche Museen zu Berlin), Marion Ackermann (Staatliche Kunstsammlungen Dresden), Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig, Köln), Eva Kraus (Bundeskunsthalle, Bonn), Bernhard Maaz (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München), Susanne Gaensheimer (Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen), Christiane Lange (Staatsgalerie Stuttgart), Hermann Arnhold (Museum für Kunst und Kultur, Münster), Andreas Beitin (Kunstmuseum Wolfsburg), Stephan Berg (Kunstmuseum Bonn), Philipp Demandt (Städel Museum, Frankfurt/M.), Peter Gorschlüter (Museum Folkwang, Essen), Reinhard Spieler (Sprengel Museum Hannover) und Christina Végh (Kunsthalle Bielefeld).