
Leidenschaftliches Plädoyer für den Frieden: „Die Frauen von Troja“ am Theater Pforzheim
Pforzheim. Wehe den Besiegten.“ So kommentierte ein römischer Feldherr das Los der Verlierer im Krieg. Mit dem altgriechischen Tragödiendichter Euripides, dessen „Troerinnen“ eine leidenschaftliche Mahnung für den Frieden sind, wäre dieser bittere Befund zu ergänzen: Die Frauen bezahlen den Preis für die Kriege der Männer.
Das Theater Pforzheim hat das Stück unter dem Titel „Die Frauen von Troja“ nun zur Eröffnung der Saison in der Regie des neuen Oberspielleiters Hannes Hametner aufgeführt. Ein programmatischer Auftakt. Sind doch die Bilder kriegerischer Verwüstungen und menschlichen Leids in Syrien oder Afghanistan überall präsent. Da genügen wenige optische Akzente der Aufführung, um diese aktuelle Verbindung herzustellen.
Nicht umsonst zitiert der Titel die trojanischen Frauen, die nach dem Sieg der Griechen unter den Feinden aufgeteilt, verhökert und verlost werden. Ein Chor beklagt vielstimmig ihr Schicksal, und ihre Königin Hekabe hat mit ihren Töchtern grausame Demütigungen zu erwarten: Kassandra soll als Nebenfrau dem Griechenkönig Agamemnon dienen, Andromache wird dem Sohn des Achilles zugeschlagen, Hekabe selbst dem Kriegshelden Odysseus. Die Königin beklagt sich bei den Göttern für solche Schändung – und bei ihrer Schwiegertochter Helena, deren Schönheit den Krieg einst heraufbeschwor und der sie nun ebenfalls den Tod wünscht. Das Ende ist hoffnungslos. Mit dem Bild des brennenden Troja endet die Tragödie – und die Inszenierung in Pforzheim.
Euripides schrieb dieses pazifistische Zeitstück 415 v.Chr. und hat als Fanal über ihre Zeit hinaus gewirkt – auch durch die großartige Neudichtung des sprachmächtigen Walter Jens.
Den Pforzheimern ist mit der Wahl dieser Bearbeitung ein guter Griff gelungen. Jens hat dem Stück alles Pathos ausgetrieben und stattet die Figuren mit zupackender sprachlicher Kraft aus, die den Schauspielern viel abverlangt, dem Abend aber dort, wo er dieser Kraft vertraut, eindringliche dramatische Wucht verleiht. Bei Susanne Schäfer, die sich als Hekabe dem Publikum erstmals vorstellt, gelingt diese Energie des Ausdrucks überzeugend. Sie schleudert ihre Anklagen, ihre Bitternis und empörte Wut mit schmerzlicher Heftigkeit heraus, verkörpert glaubwürdig das fassungslose Entsetzen der Königin und bestimmt durch gestraffte Präsenz weitgehend das Niveau des Abends.
Mit ähnlicher Sprachkraft und souveräner Autorität absolviert Heidrun Schweda den wichtigen Part der Chorführerin, während der Chor der klagenden Trojanerinnen in der Laien-Besetzung dem Anspruch von Text und Inszenierung nur unzulänglich gerecht werden kann. Als zürnender Poseidon setzt Jens Peter gleich zu Beginn einen Markstein sprachlicher Prägnanz. Ganz auf der Höhe ihrer tragischen Statur führt Konstanze Fischer die Kassandra vor, die sich angesichts des Schreckens in den hellsichtigen Irrsinn rettet. Mira Huber gibt der geschundenen An-dromache im Kampf ums Kind und die Selbstachtung auch in großen Ausbrüchen sprachlich eine eher flache Kontur.
Mit der Helena-Szene eröffnet auch die Aufführung eine neue szenische Dimension. Sophie Lochmann spielt die kapriziöse Helena als durchtriebene Verführerin, die alle Register auch körperlicher Reize zieht. In den Auftritten der drei Schreckensboten steuern Markus Löchner, Jens Peter und Bernhard Meindl sorgfältige Studien zwischen Grausamkeit und Einfühlung bei.
Das Szenenbild von Giovanni de Paulis nutzt ausgiebig und effektvoll die technischen Möglichkeiten der Bühne. Allerdings bleibt der Einsatz von allerlei Kriegsgerät im Oberflächenreiz stecken und verwässert die Aufmerksamkeit auf die sprachliche und gedankliche Substanz des Stückes. Immerhin: Diese „Frauen von Troja“ setzen in ihren vielen gelungenen Momenten und der überzeugenden Ensembleleistung gleich zu Beginn der Spielzeit einen markanten Akzent.
Weitere Vorstellungen etwa am 26. und 28. September, 1., 5., und 8. Oktober.