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Alles andere als langweilig: Mit Tablets können die Schüler verschiedene Themen auswählen und das Reuchlin-Museum kreativ für sich entdecken.  Foto: Moritz 

Museum Johannes Reuchlin bricht auf in die digitale Welt

Pforzheim. „Johannes Reuchlin hätte an seinem 565. Geburtstag heute seine helle Freude“, sagt die stellvertretende Kulturamtsleiterin Claudia Baumbusch am Mittwoch bei der Präsentation des Projekts „Reuchlin digital“. Er erlebte eine Zeit, die geprägt war von der Medienrevolution des Buchdrucks. Reuchlin nutzte diese damals neue Technik, um seine zentrale Botschaft zu verbreiten: „Erkundet das Fremde, zerstört es nicht!“ Heute sind die Umwälzungen noch gewaltiger. Digitalisierung wirkt sich immer mehr auch auf Kultur aus, sie hätte dem in Pforzheim geborenen Begründer des Humanismus viel Spaß gemacht, ist Baumbusch sicher. „Er wäre auf allen Social-Media-Kanälen unterwegs.“ Mit „Reuchlin digital“ begibt sich das Kulturamt der Stadt seit Oktober 2018 auf den Weg, die Potenziale des medialen Wandels am Museum Johannes Reuchlin auf dem Schloßberg auszuloten.

Wer ist für „Reuchlin digital“ verantwortlich?

Claudia Baumbusch leitet das Projekt. Mit dabei: der Software-Entwickler und Medienpädagoge Daniel Autenrieth sowie die Museumspädagoginnen Christina Klittich und Eleni Engeser. Beteiligt sind aber zahlreiche Kooperationspartner und Personen aus verschiedenen Fachrichtungen.

Warum halten die Verantwortlichen das Projekt für so wichtig?

Das Museum soll zugänglicher und zukunftsfähig werden. Es soll die junge Generation ansprechen, die in einer digitalisierten Welt aufwächst, die andere Kommunikationsformen nutzt und andere Anforderungen an Museen hat. „Das sind Orte der Bildung, die sich radikal wandeln müssen“, sagt Thomas Schmidt. Der Leiter der Arbeitsstelle der literarischen Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg will das Projekt weiter fördern.

Was sind die Ziele?

Zum einen will das Projekt am Beispiel von Leben und Werk Johannes Reuchlins das kulturelle Erbe der Stadt vermitteln und dabei den Schülern Orientierung in einer komplexen Welt geben. Reuchlins Einsatz für Toleranz und Menschlichkeit ist ein Aspekt unter vielen. Zum anderen soll es Schüler dazu befähigen, in einer digital vernetzten Welt kompetent zu handeln. Und es gibt übergeordnete Ziele wie das Stärken zwischenmenschlicher Beziehungen oder das Entwickeln von Fähigkeiten in den Bereichen Medienkritik, -gestaltung und -nutzung.

Wie sind die Beteiligten vorgegangen?

Ausgangspunkt waren die Bedürfnisse der Schüler. „Wir haben sie befragt, was sie vom Museum erwarten, was sie gut finden, was schlecht“, sagt Baumbusch. Lehrkräfte und Lehramtsstudierende haben mit dem Team zusammengearbeitet und dabei neue, innovative Vermittlungsformate entwickelt und getestet.

Was können die Schüler tun?

Sie werden zur Zusammenarbeit und zum gemeinsamen Produzieren aufgefordert. Die Schüler drehen Videosequenzen, schreiben dazu selbstständig Skripte, und schneiden das Material zu kompakten Kurzfilmen. Der Einsatz der aus Fernsehstudios bekannten Greenscreen-Technik ermöglicht es ihnen, Gegenstände oder Personen nachträglich vor verschiedenen Hintergründen zu platzieren. In anderen Formaten können die Schüler Musik komponieren oder dreidimensionale und interaktive Welten erschaffen. All dies stets im Kontext der hochaktuellen Botschaften Reuchlins.

Wie läuft das ganz praktisch?

Anders als bei einer klassischen Führung, es geht ums Handeln und Produzieren. Da ist dann ganz schön was los: In Kleingruppen mit je einem Tablet können Schüler verschiedene Themen auswählen und erkunden, etwa „Ein Streitgespräch“, „Das Internet des 15. Jahrhunderts“, „Der Buchdruck“ und „Das Sprachenwunder Reuchlin“. Wählt eine Gruppe beispielsweise die Aufgabe zum Sprachenwunder, bekommen die Schüler Arbeitsaufträge wie: Findet heraus, warum Reuchlin als Sprachgenie bezeichnet wurde und wofür er seine Sprachkenntnisse nutzte. Oder: Erstellt aus dem Ergebnis dieser Recherche ein Instagram-Video – auch in der Muttersprache oder auf Englisch. Mit einer App auf den iPads können die Schüler Videosequenzen aufzeichnen, diese schneiden und neu arrangieren. Eine Zusatzfunktion ist die automatische Erstellung von Untertiteln in den jeweiligen Sprachen. Diese sollen abschließend von der Gruppe ins Deutsche übersetzt werden.

Wie sind bislang die Rückmeldungen?

Teilnehmende bestätigen den Mehrwert: „Wir konnten selber etwas machen und uns alles viel besser merken“, wie eine Schülerin sagte. Auch Kai Adam, Leiter des Reuchlin-Gymnasiums, ist begeistert: „Das Virtuelle lässt Reuchlins Welt für die Schüler realer werden.“ Das Projekt gebe den Schülern Gelegenheit, sich mehr mit ihrer Stadt zu identifizieren.

WLAN im Museum einrichten, ausreichend iPads – das kostet Geld. Woher kommt’s?

Das Projekt wird gefördert vom Innovationsfonds des Landes (50.000 Euro), der Arbeitsstelle der literarischen Museen, Archive und Gedenkstätten (5000 Euro), der Löblichen Singergesellschaft (1000 Euro) und den Freunden der Schloßkirche (1000 Euro).

Wo gibt’s im Internet Infos für alle Interessierten?

Auf www.reuchlin-digital.de.