Vordergründig zunächst die erfolgreichen Strahlemänner: Doch mit der Machtergreifung der Nazis taten sich zwischen den Mitgliedern der Comedian Harmonists tiefe Gräben auf. Foto: Theater Pforzheim
Das Verhängnis nimmt seinen Lauf: Clemens Ansorg als Harry Frommermann, Jens Peter (Roman Cycowski), Thorsten Klein (Erich A. Collin), Markus Herzer (Erwin Bootz), Fredi Noël als der alte Frommermann, Philipp Werner (Ari Leschnikoff) und Dominik Müller als Robert Biberti (von links). Foto: Theater Pforzheim
Kultur
Musikalisches Schauspiel am Theater Pforzheim um die Comedian Harmonists
  • Rainer Wolff

Pforzheim. Es war ein Abstieg zwischen Glanz und Schäbigkeit. Die weltweit gefeierten und bis heute beliebten „Comedian Harmonists“ fanden ein durchaus unkomisches, unharmonisches Ende, und am Theater Pforzheim ist der Niedergang dieser frühen Boygroup nun als musikalisches Schauspiel unter dem Titel „Jetzt oder nie“ zu erleben.

Der erste Teil des Stückes „Comedian Harmonists“ von Gottfried Greiffenhagen (1997) wurde an vielen Theatern gespielt – 2009 auch in Pforzheim. In dokumentarisch unterlegten Spielszenen und eingefügten Liedern wird hier die mühsame Entstehung des Sextetts 1927 und sein Aufstieg zu internationalem Ruhm vorgeführt – bis zur Zerschlagung der Gruppe durch die Nazis, welche die drei jüdischen Mitglieder des populären Ensembles mit Auftrittsverbot belegten und 1935 in die Emigration trieben.

Hier nun setzt der zweite Teil der Geschichte ein, den Autor Greiffenhagen 2005 als Fortsetzung anlegte und der doch das Niveau des Vorgängers nicht erreicht, obwohl er dessen dramaturgisches Muster einschließlich der Einfügung ohrwurmiger, von Jörg Daniel Heinzmann arrangierter „Comedian“-Hits übernimmt. In loser Szenenfolge schildert er, wie die „Harmonists“ sich nach der erzwungenen Halbierung in Einzelschicksale auflösen. Die verbliebene „arische“ Hälfte wirkt unter dem Namen „Meistersextett“ kurzfristig als Teil der NS-Unterhaltungsindustrie, bis sie schließlich 1941 untergeht. Die „Nicht-Arier“ nennen sich „Comedy Harmonists“ und können im Ausland rasch an alte Erfolge anknüpfen. Aber auch sie zerfallen 1941, als individuelle Wünsche der Mitglieder den gemeinsamen Kurs beenden. Die amerikanische Nachfolgegruppe hat 1948/49 nur kurzen Bestand.

Verbindender Erzähler

Um die abweichenden Entwicklungen der Gruppen und die biografischen Linien der sechs Protagonisten auf eine dramaturgische Linie zu bringen, ist als verbindender „Erzähler“ der alte Frommermann eingefügt, der einst als Harry die „Harmonists“ gegründet hat und sich nun müht, am Ideal eines vokalen Orchesters, dessen Instrumente nur aus Stimmen bestehen, die alte, längst gesprengte Harmonie wiederherzustellen. Eine unglückliche Lösung, die dem Abend eher schadet als nützt, zumal hier gleich mehrere Nebenstränge mit eingearbeitet sind – wie etwa die Bezüge auf das alte Buch Hiob, das zum Muster für die Leidensgeschichte der jüdischen Gruppenmitglieder umgedeutet wird.

Fredi Noël hat mit dieser diffusen Un-Rolle eine undankbare Aufgabe und begegnet ihr mit bloßer Routine. Aber auch die anderen Darsteller im spartenübergreifenden Ensemble, die sich in papierenen Dialogen und spröden Doku-Szenen nach Kräften abarbeiten, haben es in der spannungslosen Inszenierung von Christoph Zauner nicht leicht. Die ungelenke Regie bekommt die eklatanten Schwächen des Stückes im zweiten Teil nicht in den Griff, hat immer wieder lähmende Durchhänger und regelrechte „Löcher“. Es bleibt meist bei oberflächlichen Arrangements, die im ortlosen Bühnenbild von Jörg Brombacher die Darsteller auf Chargen von unterschiedlichem Leistungsprofil und das Stück auf szenischen Schulfunk reduzieren.

Immerhin kann Jens Peter als jüdischer Kantor Roman Cycowski seine sängerischen Defizite durch eindringliches Spiel kompensieren, Clemens Ansorg als überzeugender Harry Frommermann steuert stimmlich und darstellerisch ein nachhaltiges Porträt bei, und der Sänger Philipp Werner gibt dem treuherzigen Tenor Ali Leschnikoff pralle, dröhnende Kontur. Daneben bleibt Thorsten Klein als beflissener Erich Collin durch kaum mehr als seine grotesk übertriebene Körpersprache in Erinnerung. Dominik Müller als dominanter Robert Biberti mit grell aufgesetzter Berliner Schnauze liefert ein geläufiges Klischee des angepassten Nazis, und Markus Herzer wird dem Spielpart des Pianisten Erwin Bootz vor allem am Flügel gerecht.

So unausgewogen die darstellerischen Leistungen des Ensembles sind, so enttäuschend ist diesmal auch das von Markus Herzer verantwortete musikalische Niveau des Abends, der die wundervollen, witzig pointierten Lieder der „Harmonists“ allzu uninspiriert und unzulänglich präsentiert und dem Stück dadurch seine zentrale Kraft- und Wirkungsquelle schwächt. So lobenswert die Entscheidung ist, die Aufführung gänzlich „unplugged“ zu spielen, so macht dieser Verzicht auf Verstärkung doch die sängerischen Unterschiede der Mitwirkenden und ihre musikalischen Grenzen nur um so ohrenfälliger.

Das Publikum der gut besuchten Première quittierte dieses Nachfolgestück der „Comedian Harmonists“ trotz seiner Einschränkungen mit animierten Klatschmärschen und erzwang so zum Schluss noch einmal ein kleines Potpourri beliebter Schlager von „Veronika“ über „Ein Freund, ein guter Freund“ bis zum unvergänglichen „grünen Kaktus“.

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