Hinter den Kulissen der Theaterbühne: Designer Marco Falcioni (links) hat alles im Griff.
Meyer
Kultur
„Perfektion ist langweilig“: Hugo-Boss-Designer Marco Falcioni hat Kostüme fürs Pforzheimer Ballett entworfen - und feilt bei der Hauptprobe mit den Theaterleuten an den Details

Pforzheim. Giorgio Armani hat es getan. Und Karl Lagerfeld. Die Liste von Modedesignern, die mit Theatern in aller Welt zusammenarbeiten, ist namhaft. Nun hat Marco Falcioni, Chefdesigner von Hugo Boss in Metzingen, Kostüme fürs Ballett am Theater Pforzheim gestaltet – am Samstag erstmals öffentlich zu bewundern bei der Premiere von „Die vier Jahreszeiten“. Es ist seine dritte Kooperation mit dem Theater, seine zweite für die Compagnie von Guido Markowitz. Die beiden verbindet eine Freundschaft.

Montagabend: Kurz vor Probenbeginn schlägt Falcioni im Theater auf. Noch eine Stunde zuvor hat er seine neue Hugo-Boss-Kollektion im Stuttgarter SI-Zentrum präsentiert. In Pforzheim geht’s nun in die Detailarbeit. Viele herzliche Begrüßungen, freudige Gesichter: Die Theaterleute freuen sich auf den Mann mit Baseballmütze, Vollbart und auffälligem Silberschmuck. Im Hinterbühnenbereich sieht Falcioni erstmals, wie Ulrike Wenk mit ihren Kolleginnen aus der Kostümabteilung seine Entwürfe realisiert haben.

Kostüm und Tanz, da prallen zwei Welten aufeinander. Für Falcioni ist dies eine „große Herausforderung“, wie er sagt. Als Designer arbeite er an Kollektionen für den Laufsteg und bestimmten Looks, die später industriell hergestellt werden. „Am Theater geht es dagegen um Unikate.“ In erster Linie habe er die Vorstellungen und Ideen von Compagnie-Chef Markowitz in Bilder übersetzt, inspiriert von der Musik von Max Richter. Falcioni geht es darum, Emotionen ausdrücken, und um ein Spiel mit Silhouetten.

Eine Tänzerin kommt vorbei – mit einem Rock aus Hunderten klackernden Acryl-Plättchen. „Beautiful“, schwärmt der 39-Jährige. Man spricht englisch. Er versuche, auch schräge Elemente in die Kostüme einzubringen: „Perfektion ist langweilig.“ Später, während der Probe, fällt eines der Plättchen auf den Boden. „Da müssen wir noch stärker kleben“, sagt Falcioni.

Kostüme müssen flexibel und belastbar sein

Das ist dann der Job von Ulrike Wenk und ihrem Team. 14 mal vier Kostüme haben sie in den vergangenen Wochen produziert. Für jede Jahreszeit eine Serie. Weich und hautfarben der Frühling, bunt und kraftvoll der Sommer, in warmen Laubtönen der Herbst, mit kühlem Silber der Winter. Wenk ist voll des Lobes für den Italiener. „Er hat schöne Ideen, ist sehr kreativ.“ Unkompliziert und kollegial sei er, sehr versiert, was Stoffe und Verarbeitungstechniken angehe.

Inzwischen sei man eingespielt. Bei der ersten Zusammenarbeit zum „Barbier von Sevilla“ (2017/18) habe er noch weniger auf Funktionalität geachtet. Doch die Kostüme müssen über viele Vorstellungen hinweg belast- und vor allem waschbar sein. Ein von ihm vorgesehenes Moos aus dem Modellbahnbau war das nicht. „Das sah toll aus, war aber nicht waschbar“, sagt Wenk.

Dann startet die Probe. Alle Beteiligten nehmen im Zuschauerraum Platz, um im Bühnenlicht und mit Musik zu sehen, was funktioniert, und woran es hapert. „Das ist wie ein Kuchen, bei dem man nun alles zusammenschmeißt“, sagt Falcioni. Er tippt Notizen ins Smartphone. Manches wird direkt besprochen: Einzelne Hosen müssen gekürzt, andere gelängt werden. Die Blicke richten sich auf den Hauptdarsteller, Abraham Iglesias. Bei seiner Maske, eine schwarze Fläche um Augen und Nase, besteht Änderungsbedarf: Sie färbt ab, er schwitzt darunter zu stark.

„Marco Falcioni hat mit seinen Entwürfen für ,Die vier Jahreszeiten’ eine schöne Fantasiewelt geschaffen.“

Guido Markowitz, Balletdirektor am Theater Pforzheim

„Für solche Details gibt es die Hauptproben. So finden wir Dinge, die zwar in unseren Köpfen passen, aber eben nicht auf der Bühne“, sagt Ballettchef Markowitz. Auch er lobt Falcioni. Er habe eine andere Sichtweise auf Ästhetik und Tanz als Theater-Ausstatter, mit denen man sonst zusammenarbeite. Falcioni bringe was fürs Auge in die Inszenierung, stelle Körper eher aus, statt sie zu verhüllen. „Marco hat mit seinen Entwürfen eine schöne Fantasiewelt geschaffen.“ Nach der Probe wird noch lange diskutiert. Bis zur Premiere heute Abend muss alles sitzen.

Uraufführung im Ballett: „Die vier Jahreszeiten“

Mitten im Winter lädt das Theater Pforzheim zu seiner ersten Uraufführung in dieser Spielzeit im Ballett: „Die vier Jahreszeiten“ – choreografisch neu interpretiert von Ballettdirektor Guido Markowitz. Es spielt die Badische Philharmonie Pforzheim. Die heutige Premiere ist ausverkauft. Die vier Violinkonzerte des italienischen Meisterkomponisten Antonio Vivaldi zählen zu den schönsten Werken des Barock.

Markowitz ist fasziniert von Max Richters zeitgenössischer, mit Tempi und Loops spielender Rekomposition des barocken Meisterwerks von 1725: „Mich hat Vivaldis Komposition schon begeistert. Als ich die Rekomposition von Max Richter aus dem Jahr 2012 gehört habe, empfand ich dessen Musik als derart emotional, dass ich diese unbedingt umsetzen wollte, in dem Bewusstsein, dass diese starke Musik ebenso starke Bilder braucht – mit einem für die Tänzer physisch herausfordernden Panorama der Freude, Begegnung, Leidenschaft, Verschmelzung, Verbundenheit, Trennung, Abschied und Wiederkehr.“ 

Restkarten gibt es für die Aufführungen am 31. Januar und im Februar. Für die Termine ab März gibt es noch ausreichend Tickets.