Nikolaus Harnoncourt: Ein ganz Großer der Dirigentenzunft ist tot. gindl
Kultur
Rebell, Pionier, Weltstar: Dirigent und Musiker Nikolaus Harnoncourt ist verstorben
  • Irmgard Rieger

Wien. Sein Name steht für die Neuentdeckung der Alten Musik - und für künstlerische Leidenschaft. Als „Klangredner“ wurde er verehrt, als „Darmsaitenritter“ belächelt. Nikolaus Harnoncourt war als Musiker wie als Dirigent immer auf der Suche nach dem unmittelbaren Klang. „Musik muss die Seele aufreißen“, war seine Überzeugung. In der Interpretation des Werkes von Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn oder Wolfgang Amadeus Mozart setzte der Österreicher Maßstäbe. Am Samstag ist Nikolaus Harnoncourt gestorben.

An seinem 86. Geburtstag im vergangenen Dezember hatte er bekanntgegeben, dass er sich vom Pult zurückzieht: „Meine körperlichen Kräfte gebieten eine Absage meiner weiteren Pläne.“ In seinem kurzen Abschiedsbrief im Programmheft des Wiener Musikvereins schrieb er aber auch an das Publikum: „Wir sind eine glückliche Entdeckergemeinschaft geworden.“

Harnoncourt war einer, der immer wieder überraschte und unerwartete Wege einschlug. Als junger Cellist verschrieb sich der Musiker in den 1950er-Jahren der damals gering geschätzten Alten Musik. Gemeinsam mit seiner Frau Alice Hoffelner gründete er mit 23 Jahren den Concentus Musicus als jene Formation, die auf historischen Instrumenten die Welt der Alten Musik erforschte und auf neue Art umsetzte.

Beharrlich, gegen viele Widerstände ankämpfend und Gewohnheiten in Frage stellend, erarbeitete er sich eine Position als Barock-Koryphäe und Pionier der Originalklang-Bewegung.

Als Leiter von Orchestern wie dem Concertgebouw-Orkest Amsterdam, dem Chamber Orchestra of Europe oder den Wiener und Berliner Philharmonikern wurde Harnoncourt zu einem Weltstar. Als leidenschaftlicher Musiker und Lehrender kämpfte er um musikalische Tiefe.

Und als Musikphilosoph und Vater verwies er auf die enorme Bedeutung der Kunst für ein umfassendes menschliches Dasein: „Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein“.

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