Szenen einer tristen Ehe: Clemens Ansorg als Guy Montag sowie Konstanze Fischer als seine Frau Mildred. Foto: Theater Pforzheim
Kultur
Schmerzhafter Weg der Erkenntnis: „Fahrenheit 451“ am Theater Pforzheim

Pforzheim. Ein visionärer Klassiker aus den 1950er-Jahren wird jetzt am Theater Pforzheim gespielt. Ray Bradburys Roman „Fahrenheit 451“ hat in der Bühnenfassung durchaus aktuelle Bezüge zur Gegenwart.

„Es gibt nur eine Wahrheit: Feuer – und wir sind die Glückshüter“, so einer der ersten Sätze der etwas anderen Feuerwehr in „Fahrenheit 451“ – eben der Temperatur, bei der Papier, also auch Bücher, Feuer fangen. Und damit ist auch schon die Grundkonstellation beschrieben, auf der das gesamte Stück basiert. Dabei könnte das Stück kaum aktueller sein als in diesem Tagen, da Intellekt und Wissen abgelöst werden durch alternative Wahrheiten und Anti-Intellektualismus.

Die Bühnenfassung des gleichnamigen Romans von Ray Bradbury aus den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, eingerichtet von Hannes Hametner für das Theater Pforzheim, kommt schnörkellos daher mit seinem schlichten, geradlinigen Bühnenbild und einem dementsprechend kühlen sprachlichen Ausdruck. Sie bricht die Romanvorlage allerdings herunter auf eine private, kleinbürgerliche Ebene und berücksichtigt auch nur den ersten Teil der Romanvorlage. Völlig anders gelagert kommt die fast schon klamaukhafte Umsetzung in Science-Fiction-Manier im Truffaut-Klassiker während der 60er-Jahren auf die Leinwand.

In die düstere Szenerie der militant-bedrohlichen, ganz in Schwarz gehüllten Feuerwehrtruppe bricht sie ein, die junge, schwärmerische Clarisse. Erfrischend frühlingshaft im passend grünen Kleid, gespielt von Steffi Baur, bringt sie den bislang linientreuen Feuerwehrmann Guy Montag (Clemens Ansorg) gehörig durcheinander mit ihrer sensiblen, heiteren Art. Tag für Tag trifft er sie – das Bild vom gefühllosen Monolith beginnt zusehends zu bröckeln. Dies prägnant zu zeigen, dafür reicht, dass Guy nur einmal kurz den Kopf nach hinten wirft, um den Regen in den Mund prasseln zu lassen.

Den traurigen Kontrast zu dieser sinnenfrohen Szenerie mit Clarisse: die Szenen einer Ehe von Guy mit seiner Frau, der tablettensüchtigen Mildred (authentisch enervierend Konstanze Fischer) – dümmlich, verzweifelt gleich ihr Einstand mit einem Fast-Selbstmord mithilfe von Tabletten. Am nächsten Tag erinnert sie sich an nichts. Immerzu hockt sie vor der Glotze, mit einbezogen in einem geschlossenen Soap-Kosmos, über dem der (virtuelle) Clown (Markus Löchner) thront, überlebensgroß eingespielt und fies lächelnd.

Das seelische Gleichgewicht von Guy gerät vollkommen ins Wanken, als die Feuerwehrtruppe um Feuerwehrhauptmann Beatty, Guys Vorgesetzten – eiskalt und seelenlos Lars Fabian, Markus Löchner, Bernhard Meindl – das mit Büchern befrachtete Haus einer alten Dame (Anne-Kathrin Lipps) in Flammen aufgehen lässt und die leidenschaftliche Bücherleserin gleich mit verbrennt. „Es muss etwas dran sein an den Büchern“, beginnt Guy zu zweifeln – und fängt an selbst Bücher zu lesen. Der Baum der Erkenntnis beginnt zu sprießen und das Drama nimmt seinen Lauf. Schließlich kommt Feuerwehrhauptmann Beatty durch Montags Hand in den Flammen um. Ein schmerzhafter und leidvoller Weg der Erkenntnis mittels Büchern, wie auch immer der Verzicht der Menschen darauf ein freiwilliger ist – und nicht von der Obrigkeit obstruiert.

Viel Applaus nach 90 Minuten vom Premierenpublikum, das alles andere als seichten Stoff geboten bekam. Dem mangelte es allerdings in der Umsetzung – geschuldet einer gewissen Gleichförmigkeit – ein gutes Stück an dramaturgisch markanten Eckpunkten.

Die nächsten Vorstellungen: 23. April, am 3. und am 8. Mai. Theaterkinotreff im Kommunalen Kino mit dem Truffaut-Film am 28. April (21 Uhr) sowie am 30 April (16.45 Uhr).