
- Eckehard Uhlig
Pforzheim. Es gibt strahlende Opern-Sterne, Stars in Schlagerparaden, Pult-Stars unter den Dirigenten, auch Geiger und Pianisten mit Star-Allüren. Aber ein Star unter den Organisten? So jedenfalls bezeichnete Georg Leicht vom Förderverein Schloßkirche St. Michael in seinem Grußwort Cameron Carpenter, der im Rahmen des Orgelfestivals in der Pforzheimer Schloßkirche an der reorganisierten Steinmeyer-Mühleisen-Orgel konzertierte. Und das war nicht zu hoch gegriffen, er hatte einfach recht: Denn Carpenter feierte mit sensationellem Spiel auf dem glanzvoll erneuerten königlichen Instrument ein Hochamt der Töne, in der akustisch idealen Kirche mit ihrem beeindruckenden sakralen Raumambiente auch zum Ruhm und zur Ehre Gottes.
Höhepunkt der Klavierliteratur
Carpenters Programm war kongenial. Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen (BWV 988) gelten als Höhepunkt der Klavierliteratur. Freilich sollte man das Wesen der Bach’schen Kompositionen für Tasteninstrumente von ihrer Erscheinung trennen. Sie sind nicht ausschließlich für Cembalo, Klavier oder Orgel bestimmt. Die Klangmittel, die seine reine Musik dem Zuhörer mitteilen, unterliegen keiner starren Konvention. Zumal der Leipziger Thomaskantor aus spieltechnischen und klanglichen Gründen ein mehrmanualiges Cembalo zur Ausführung der Variationen vorgesehen hatte.
Herrliche Registerfarben
Gerade in dieser Hinsicht bewirkte Carpenter Wunder. Auf der Orgel konnte er die Vielstimmigkeit und Vielfalt der motivischen Einfälle, die beim Klaviervortrag einen eher eintönigen Klangcharakter besitzen, fein auseinanderfalten und auf drei Manuale und das Pedal verteilen. Und vor allem mit den herrlichen Registerfarben der Orgel ausstatten und bereichern. Ruhig und gelassen trug der Star-Organist die intim verzierte Variationen-Vorlage, die „Aria“ vor. Dann folgten die davon inspirierten 30 Variationen – als bunt leuchtender, dynamisch raffiniert aufgefächerter Klangkosmos angelegt. Die Kanons und eher tänzerischen Stücke, die Imitationen und Ouvertüren mit ihren teils geradezu schikanösen virtuosen Anforderungen der Pralltriller, Sechzehntelketten und gegenläufigen Terzen-Tonleitern meisterte Carpenter – das durfte man auf Bildschirmen aus unmittelbarer Nähe verfolgen – mit elegant gleitender Fingerfertigkeit und Pedal-Geläufigkeit.
Mächtiges Klangvolumen
Nach der Pause präsentierte Carpenter mit „Fantasia et Fuga in g“ (BWV 542) einen originalen Orgel-Bach. Die grandiose Wiedergabe demonstrierte besonders in den sich bündelnden Engführungen des Fugenteils eindrucksvoll, mit welch mächtigem Klangvolumen die neu strukturierte Orgel den Kirchenraum zu füllen vermag.

Als Königsdisziplin der Orgelspieler gilt die Improvisation, als deren Großmeister sich Carpenter präsentierte. Dieser Programmteil war in vier Abschnitte gegliedert. Im ersten erlebten die Zuhörer die immer wieder neu einsetzende, klanglich anschwellende intensive Suche eines Themas. Im zweiten tönten hell und hoch flötende Vogelstimmen. Der dritte wirkte wie der aggressive Soundtrack zu einem Kinofilm, der letzte mündete in friedfertig ruhigen Abendgesang ein. Auch hier die Eleganz der Wiedergabe – mal leicht und locker, mal mit zupackendem Nachdruck, oft mit tänzelnder Grazie, dann wieder stürmisch und drangvoll. Offensichtlich hatte der Interpret eine wundersame Empathie für die Orgel gefunden.
Der mit Bravorufen gespickte Beifallsjubel des sehr honorigen Publikums war unbeschreiblich. Carpenter wurde enthusiastisch gefeiert.


Cameron Carpenter gastiert an Steinmeyer- Mühleisen-Orgel
Es gibt strahlende Opern-Sterne, Stars in Schlagerparaden, Pult-Stars unter den Dirigenten, auch ...