
Verwirrspiel: Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“ am Theater Pforzheim
Pforzheim. Kein Wald, nirgends. Der zauberische Ardenner Wald in Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“, zentraler Spielort des Geschehens und befreiende Gegenwelt zum feindseligen Hof des bösen Herzogs Frederick, kommt zwar ausgiebig im Programmheft, nicht aber in der Inszenierung von Hannes Hametner am Theater Pforzheim vor.
Bühnenbildnerin Anne Habermann hat stattdessen eine schräg abfallende, schwarzglänzende Spielfläche errichtet, die sich durch Einsatz einer schönen Regenanlage alsbald in eine gefährliche Rutschbahn verwandelt, auf der die Darsteller bisweilen bedenklich ins Schlingern geraten – eine unangenehme Nebenwirkung des Willens zur ästhetischen Abstraktion. Die karge Szenerie, die das Augenmerk weniger auf die Atmosphäre als auf die Darsteller und ihre Texte konzentriert, stiftet dem fast dreistündigen Abend wenigstens optisch eine kühle Einheitlichkeit. Sie steht in gewolltem Widerspruch zu dem Konzept der Regie, mit möglichst drastischen Kontrasten der Personenzeichnung eine dramatische Spannung zu erzeugen, die die verwickelte Handlung in immer neue Krisen lenkt, bis schließlich das reichlich aufgesetzte Happy End mit nicht weniger als vier Brautpaaren die Komödie zu ihrem fadenscheinigen Recht kommen lässt.
Im Ardenner Wald hat der verstoßene Herzog Senior mit einigen Getreuen ein utopisches Alternativreich errichtet, dessen magische Aura einen hochtourigen Liebestaumel mit immer neuen Verwirrungen auslöst. Da umwirbt der ebenfalls geflüchtete Orlando die schöne Rosalind, die sich am Hofe in ihn verliebt hat und nun verkleidet als Jüngling Ganymed nach ihm sucht. Orlando allerdings erkennt die Liebste in ihrer männlichen Maskierung nicht, und nun setzt ein pikanter Reigen von Verwechslungen und Missverständnisse ein, der im Wesentlichen auf dem Spiel zwischen den Geschlechtern beruht.
Dieser delikate Effekt ist bei Shakespeare ein bewährter Komödientrick, denn zu seiner Zeit wurden im Theater grundsätzlich alle Rollen von Männern gespielt, was die Turbulenzen um die Mann/Frau-Identität auch in diesem Stück um eine weitere Potenz erhöht. Eine einschlägige Umdrehung zu viel gönnt sich die Pforzheimer Inszenierung allerdings in der unglücklichen, durch nichts begründeten Besetzung des verliebten Orlando mit einer Frau: Steffi Baur kann denn auch aus dieser Gender-Differenz nichts machen, und so fehlen die irisierenden Zwischentöne dieser Paarung. Als lustiges, unbedarftes Girlie spielt Mira Huber ihre Freundin Celia, die zum guten Ende den wundersam bekehrten Bösewicht Oliver (Lars Fabian) abbekommt. Als üppige Transe verkörpert Markus Löchner die erotisch überdrehte Schäferin Phoebe, während Susanne Schäfer als ebenfalls „en travesti“ besetzter, abstrus kostümierter Narr Touchstone vor allem schrill wirkt, obwohl er mit dem einfältigen, von Lilian Huynen drollig karikierten Landei Audrey eine durchaus stimmig charakterisierte Liebste zum Altar führt.
Hametners Inszenierung scheint die Welt im abgeholzten Ardenner Wald eher als Klamauk zu deuten, bei dem der vertriebene Herzog Senior als bekiffter Sonderling seine schräge Entourage anführt, der besoffene Pfarrer (Fredi Noël) als Parodie durch das Geschehen torkelt, die Schäfer als blökende Tölpel für linkischen Trubel sorgen und schließlich selbst Gott Hymen, der für die abschließende Ehe-Häufung auf die Szene gebeten wird, bei Helmut Schmiedeberg als reichlich abgetakelter Olympier veralbert scheint.
Der Text geht, wo er nicht ohnehin unverständlich gesprochen wird, bisweilen im lärmenden Aktionismus des szenischen Powerplays unter, und nicht jedes Detail der verwickelten Handlung wirkt immer ganz schlüssig begründet. Dennoch folgte das Publikum der nicht ganz ausverkauften Premiere dem fintenreichen Bühnenspaß mit amüsierter Aufmerksamkeit.