Von der beobachtenden Wiedergabe bis zu freien Interpretationen, wie der 2018 durch Druck mit Lego-Steinen entstandene, vielschichtige „Spiralnebel“ (rechts): Die Ausstellung illustriert Leben und Werk von Sylvia Witzenmann. Fotos. Moritz
Kultur
Von der Implosion zur Explosion - Sylvia Witzenmann präsentiert Lebenswerk in der Pforzheim Galerie.
  • Michael Müller

Pforzheim. Wie eine Reise durch ihr Leben und Werk mutet Sylvia Witzenmanns weitgehend chronologisch angeordnete Ausstellung an, die am Sonntag um 17 Uhr in der Pforzheim Galerie eröffnet. Von ersten Impulsen aus dem Jahr 1961 bis zur jüngsten Arbeit (2018) dokumentiert die Schau den Wandel der Künstlerin: von einer beobachtenden Wiedergabe des Gesehenen bis zur freien, durch individuelle Erfahrungen geprägten Interpretation.

Nach dem kleinteilig-minuziösen Arbeiten mit Linien, beeinflusst durch das Lernen der Goldschmiede- und Email-Techniken im New York der 1970er-Jahre, folgte der Einstieg in die expressive Malszene. „Von der Implosion zur Explosion“, beschreibt es Witzenmann selbst, die in Pforzheim aufgewachsen ist und bis heute in New York lebt. Konsequenterweise hat die vielgereiste Sylvia Witzenmann die Ausstellung „Bald hierhin, bald dorthin“ betitelt, inspiriert von Platon.

Die Initialzündung dazu habe der gemeinsame Bekannte und Kunstsammler Till Casper gegeben, sagt Kuratorin Regina M. Fischer. Im ersten Raum startet die Schau mit einigen Werken von Witzenmanns Zeitgenossen und Professoren zwischen 1972 und 1974 an der Pforzheimer Fachhochschule für Gestaltung, darunter Axel Hertenstein, Peter Jacobi, Bernhard Jablonski und Werner Weißbrodt. Bei Ute Middel lernte sie die Technik des Batikens.

Widmete sich Sylvia Witzenmanns vorige Ausstellung in der Pforzheim Galerie (2001) noch großformatigen Ölgemälden, so stehen nun grafische Arbeiten im Zentrum: Drucke auf Papier, Zeichnungen, Linolschnitte und Radierungen. Da finden sich zunächst Belege für Witzenmanns noch beobachtende, reduzierte Wiedergabe: Insel-Impressionen aus dem Ischia der 1960er-Jahre und die frühen grafischen Serien mit Hafen- und Gebirgsszenen, bei denen sie ein Motiv in verschiedene Farbwelten taucht.

Postkartengroße Zeichnungen zeigen in zarten Linien das pulsierende New York der 1970er-Jahre. Die ebenfalls linear aufgebauten Reiseskizzen aus New Mexiko, aber auch die farbenfrohen Kreiden des Yucatan-Zyklus’ illustrieren ihre Reflexion religiöser und philosophischer Themen – wohl eine Prägung durch Sylvia Witzenmanns kulturell reiches, mit der Anthroposophie vertrautes Elternhaus. „Ihr Wissensdurst fließt in die Bildthemen ein und wird häufig unmittelbar in Form und Farbe übersetzt“, analysiert Fischer.

Ein rasant übers Meer gleitendes Segelboot ziert das Ausstellungsplakat: Auf Long Island lebte die 1941 in München geborene Künstlerin in einem Haus direkt am Wasser, dessen stetige Veränderung sie beobachtete. „Das malt in einem“, sagt sie. Tagsüber entstanden realistische, detailgetreue und mit der Zeit metaphorischer werdende Gemälde. Einige Motive übersetzte sie nachts in expressive Stimmungsbilder, ein Spiegel innerer Seelenlandschaft.

Die Schau wird ergänzt durch einige Schmuckstücke, Bilder von humorvoll gestalteten Gesichtern und eine aktuelle Werkgruppe aus Drucktechniken. Ein Video zeigt schließlich ein Interview, das die Kunsthistorikerin Fischer mit Sylvia Witzenmann führte.