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Die aus Pforzheim stammende Henrika Kull am Eröffnungsabend.  Foto: Privat 

„Weibliche Perspektive wichtig“: Regisseurin Henrika Kull ist Jurorin bei der Berlinale

Berlin. Sie ist erklärter Fan der Berlinale, zeigte dort im vergangenen Jahr ihren Abschlussfilm „Jibril“ der Filmuniversität Babelsberg – und sitzt jetzt sogar in einer Jury: die in Pforzheim aufgewachsene Produzentin und Regisseurin Henrika Kull.

Am Eröffnungsabend war die 34-Jährige nach ihrem Debüt 2018 erneut dabei. Der „klugen, wunderschönen“ Jurypräsidentin Juliette Binoche so nah gekommen zu sein, bringt Kull am Tag danach noch ins Schwärmen. „Es war sehr schön – obwohl der Eröffnungsfilm ,The Kindness of Strangers’ eine Enttäuschung war: ziemlich kitschig und konventionell“, meint Kull. Sie hoffe auf ein paar subversivere Werke im Panorama, ihrer Lieblingssektion. „Im Wettbewerb freue ich mich vor allem auf die asiatischen Beiträge und auf ,Ich war zuhause, aber von Angela Schanelec.“

Auf der diesjährigen Berlinale sind Regisseurinnen so zahlreich vertreten wie noch nie. Kull findet es gut, dass viele Filme von Frauen laufen. Nicht nur im Wettbewerb, dort sind es sieben von 17, sondern auch in den anderen Sektionen. Wobei das Panorama heraussteche. „Die hatten immer schon mehr Filme von Regisseurinnen. Nicht etwa, weil sie Quoten erfüllen wollen, sondern weil sie in ihrer Auswahl immer schon divers waren: offen, mutig, aufmerksam, gegen Klischees und stereotypen“, sagt Kull. Sie freue sich zudem darüber, dass es mittlerweile überall eine Sensibilität gebe, aufmerksam hinzuschauen.

Die Regisseurin ärgert sich aber über Stimmen wie jene von Festivalleiter Alberto Barbera, der 2018 in Venedig nur den Film einer Frau ins Programm genommen und mit der Qualität begründet habe. „Ohne zu reflektieren, dass der männliche Blick ja scheinbare Qualität definiert. Darum ist jeder Film, der Frauen aus weiblicher Perspektive ins Zentrum stellt, für mich ein großer Gewinn.“ Und ja, sie glaube schon, dass Frauen es schwerer haben. „Wegen einer strukturellen Ungleichheit, die von vielen Menschen gar nicht wahrgenommen wird“, sagt sie, auch mit Blick auf die Filmbranche. Sie selbst müsse zum Beispiel viel stärker beweisen, dass sie gut sei. Frauen würden immer noch dazu erzogen, Dinge zu machen, um Männern zu gefallen, nicht für sich selbst. Auch das funktioniere natürlich unbewusst. „Dass man als Frau und Regisseurin genau weiß, was man will, ist für viele oft noch gewöhnungsbedürftig – zum Beispiel auch für männliche Schauspieler“, sagt Kull.

Neues Projekt geplant

Den ersten nominierten Film als Jurorin sieht sie heute: „All My Loving“ von Edward Berger und mit Lars Eidinger.  Seit 2013 vergibt die Defa-Stiftung während der Berlinale den mit 5000 Euro dotierten Heiner-Carow-Preis. Ausgezeichnet wird ein deutscher Spiel-, Dokumentar- oder Essayfilm aus der Sektion Panorama. Über die Vergabe entscheidet eine Jury, der neben Kull noch Maren Liese, Mitarbeiterin der Stiftung, und der Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss angehören.

Neben all dem Filmegucken will Kull vor allem versuchen, ihr nächstes Projekt voranzubringen. Derzeit schreibt und castet sie für einen Film, im August soll Drehstart sein.