Freut sich auf seinen Auftritt im Kulturhaus Osterfeld, in dem er bereits gespielt hat, als er noch unbekannt war: Kabarettist Florian Schroeder.Frank Eidel
Frank Eidel
Kultur
„Zensieren werde ich mich nicht“: Kabarettist Florian Schroeder zu Gast im Osterfeld
  • Das Gespräch führte Elisa Giesecke

Kabarettist Florian Schroeder über Glück in der Krise und die Verantwortung der Satire. Am Samstag, 18. Oktober, tritt er mit seinem neuen Programm „Endlich glücklich“ im Osterfeld auf

Florian Schroeder schreibt in seinem neuen Buch, das im November erscheint, über die Suche nach Glück inmitten von Krisen. Im Interview erklärt er, warum Optimismus nicht immer hilfreich ist, wie Coaching zur Ersatzreligion wurde – und warum Zweifel oft ehrlicher sind als blinder Glaube.

PZ: Herr Schroeder, was stört Sie an Optimisten?

Florian Schroeder: An Optimisten stört mich gar nichts. Optimisten sind ja etwas anderes als Menschen, die dem positiven Denken huldigen. Und wer sich in der Position des Optimisten wohlfühlt, dem gönne ich das sehr, auch für die eigene psychische Gesundheit. Es hat sich allerdings auch wissenschaftlich gezeigt, dass Optimisten punktuell eher zu riskantem Verhalten, also auch zu selbstschädigendem Verhalten neigen, weil sie sich punktuell eher selbst überschätzen und Menschen, deren Werte eher, sagen wir mal, ins Melancholische, ins leicht, ich betone leicht, Depressive gehen, oft eher eine bessere Selbsteinschätzung, eine bessere Einschätzung der Welt haben. Aber damit will ich niemandem den Optimismus nehmen.

Da bin ich froh. Ich habe nie verstanden, was der Sinn von Pessimismus sein soll…

Pessimismus – das ist der „Strandkorb des Unproduktiven“ hat Gottfried Benn einmal gesagt. Pessimismus ist in erster Linie sehr bequem und an der Grenze zum Jammervollen: Ich wusste, es wird schlechtes Wetter geben, wenn ich in den Urlaub fahre, aber blöderweise ist man im Oktober eben an die Nordsee gefahren. Ich selbst bin auch kein Pessimist, ich bin eher Skeptiker und darum vorsichtig und eher dafür, die Zukunft nicht allzu rosig zu sehen, weil man dann vielleicht auch etwas weniger enttäuscht wird.

Und in Ihrer Rolle als Satiriker?

Meine Haltung als Satiriker ist ja auch keine pessimistische, sondern in einem Zwischenbereich zwischen Optimismus und Pessimismus. Ich gucke mir die Widerhaken an, ich gucke mir das an, was quer liegt, um mich dann mit humorvollen Mitteln damit auseinanderzusetzen. Wenn man als Komiker zu pessimistisch wird, dann wird man häufig verbittert. Dann macht das keinen Spaß. Und in der Verbitterung sehe ich mich gar nicht. Wenn man allerdings zu optimistisch an die Welt geht, dann geht man mit einer affirmativen Grundhaltung ran. Und dann wird es oft betulich und ein bisschen kitschig. Und aus beidem kommt man in meiner Position heraus, wenn man den eben beschriebenen dritten Weg nimmt. Das ist auch für die Zuschauer die überraschendere Position – und darum geht es ja.Warum haben Sie sich denn ausgerechnet in einer Zeit voller Krisen mit dem Thema Glück beschäftigt? Ist das nicht fast ein bisschen zynisch?

Nein, das Thema Glück wird ja umso wichtiger, je größer die Krisen sind. Das heißt, indem ich auf das Thema Glück gucke, gucke ich ja zugleich auf die Krisen, weil ich um die gar nicht herum komme und auch gar nicht rumkommen will, weil sie uns ja umgeben. Beispiel: Sie erleben im Moment eine grandiose Glückssehnsucht. Die Zahl der Coachings in den vergangenen Jahren ist extrem gestiegen, allein im Businessbereich hat sie sich verdoppelt. Alle Leute, die ich kenne, machen ein Coaching oder geben eins – oft gleichzeitig. Und Coaching heißt ja letztlich nur das, was man selber nicht auf die Kette kriegt, anderen so beizubringen, als könnte man es. Das heißt, Sie haben auch eine riesige Nachfrage nach Spiritualität. Sie haben eine Nachfrage nach Religiosität, nach allem, was in irgendeiner Form verspricht, einen Halt und einen Sinn zu geben. Dagegen spricht auch gar nichts, aber dem nachzugehen, halte ich für das im Moment aktuellste Thema. Das heißt, ich rede genauso über die Krise wie alle anderen. Ich nehme nur einen anderen Ansatzpunkt, weil, es reden ja schon alle über Krisen. Wenn ich jetzt auch noch sage, die Welt ist schlecht und wir gucken uns an, warum, dann bringt das ja nicht weiter, sondern ich setze mir nur eine andere Brille auf.

Was läuft bei den Menschen schief, dass sie sich nur noch empören? Ist es aus einer Angst heraus?

Ja, das mag sein. Also die Empörung ist eine, die wesentlich vorangetrieben wird von einigen interessierten Kreisen. Also Social Media-Betreibern, die einer algorithmischen Logik folgen. Und die algorithmische Logik setzt auf das zugespitzte Wort. Das ist keine ganz neue Erkenntnis, aber das treibt das Ganze massiv voran, sorgt in meinen Augen übrigens auch für eine Verschiebung hinsichtlich der Wichtigkeit. Denn meine Wahrnehmung ist noch immer, dass ein ganz großer Teil der Leute nicht empört ist, mindestens nicht aggressiv empört, weder online noch offline, sondern das Ganze mit Erstaunen zur Kenntnis nimmt. Und an den Rändern, da wird es extremer, da wird es lauter. Da zeigen sich natürlich jetzt aufgrund auch der vielen Krisen Emotionen, die nicht so deutlich wurden früher. Das heißt, die Aufregung ist größer geworden, die Emotionalisierung ist größer geworden und natürlich auch die eigene Sorge. Und dafür gibt es ja auch viele Gründe. Es sind ja auch sehr viele fast endgültig wirkende Krisen um uns herum. Wir haben den Krieg in Europa, wir sehen eine hybride Kriegsführung Putins gegenüber Europa oder der NATO. Wir sehen den Klimawandel, wir sehen eine Veränderung durch den Vibe Shift in den USA, durch Donald Trump. Also das ist wirklich viel und das ist sehr viel auf einmal.Man sagt Pforzheim eine gewisse Grundmelancholie nach. Ist das auch ein Grund, warum Sie hier auftreten?

Nein, das wäre zu viel Emotionalität für Pforzheim. Ich trete in Pforzheim auf, weil es wunderbar zwischen Karlsruhe und Stuttgart liegt. (lacht) Nein, ich komme hierhin, weil ich seit vielen Jahren mit dem Kulturhaus Osterfeld insofern sehr eng bin, als man mich dort zu einem Zeitpunkt gebucht hat, als ich noch ein absoluter Noname war. Ich weiß noch genau, das war in einem ganz kleinen Saal. Das war ein bisschen wie damals bei mir in der Schultheatergruppe. Ich glaube, die Leute saßen in ganz langen Reihen vor mir und ich trat unten auf, vor vielleicht 25, 30 Leuten. Und heute ist s immer noch schön – es kommen nur sehr viel mehr Leute als damals. Aber Pforzheim ist, glaube ich, auch eine Stadt – so habe ich es immer gehört und erlebt – die eher ein bisschen rauer ist. Und ich stelle immer wieder fest, dass dort, wo es rau ist, wo nicht alles reibungslos läuft, dass dort das Publikum auch besser drauf ist. Deswegen macht es auch so viel Spaß, in NRW und Berlin aufzutreten. (lacht)

Für Ihr aktuelles Buch haben Sie angeblich LSD genommen, sind mit Swifties abgehangen und haben im Berghain getanzt. War das jetzt Vergnügen oder Recherche?

Sowohl als auch. Es war deshalb Vergnügen, weil ich mir das Thema ausgesucht habe. Aber es war auch sehr viel Erkenntnis und es war auch sehr viel Lernen dabei. Ich gehe ja für Bücher gerne irgendwo hin, gehe auf Reisen – zu anderen und zu mir selbst. Ich setze mich dann wirklich in der Nahaufnahme mit Menschen auseinander. Und das sind natürlich immer Menschen und Themen, für die ich ein Interesse habe, sonst würde ich es nicht machen. Und deswegen ist es, wie wenn man in ein Auto einsteigt, in dem man vorher nicht saß und denkt: Mein Gott, wie leise, wie toll, wie geräuschlos, wie unfallfrei fährt dieses Auto! Obwohl man vorher dachte: Ich steige niemals in ein Auto und dann steigt man aus und sagt Wow, das war eine tolle Erfahrung. Also man geht raus als ein anderer, als der, der reingegangen ist. Das verändert den Bezug zur Welt. Man wird vielschichtiger, man wird offener und man nimmt Dinge anders wahr. Und das ist bei diesem Buch sehr stark passiert. Und das ist der eigentlich schöne Prozess.

Würden Sie sagen, das war auch der der Glücksmoment für Sie?

Ich bin ja dem Begriff des Glücks gegenüber sehr zurückhaltend, weil ich den für sehr schwierig halte. Deswegen schreibe ich ja auch ein Buch eigentlich gegen das Glück, aber nicht gegen die individuelle Glückssuche, sondern gegen das, was uns als Glück verkauft wird. Das heißt, dieser Glückswahnsinn, der eigentlich immer die gleiche Dynamik kennt, nämlich wenn du das Negative ausschließt und alles Dunkle von dir fern hältst, nur noch positiv denkst, nur noch das halbvolle Glas siehst, nur noch das Schöne siehst, dann wirst du glücklich. Das halte ich für einen ganz großen, gefährlichen Irrweg und insofern bin ich ein Glücksskeptiker. Aber ich kenne natürlich trotzdem Glücksmomente, sogar sehr intensive Glücksmomente. Und tatsächlich gehört meine Arbeit dazu. Also eine Show abends auf der Bühne oder ein Buch zu schreiben.

Was treibt Sie an? Ist es der Wunsch, zu unterhalten oder die Verantwortung, Haltung zu zeigen?

Ja, es ist beides. Ich bin ein bisschen zurückhaltend bei diesem Begriff Haltung, weil der so furchtbar überstrapaziert ist. Es gibt für mich eine Verantwortung in dieser Zeit der Gesellschaft gegenüber. Ich habe den ganzen Tag Zeit, mich intensiv mit Themen auseinanderzusetzen. Und das heißt, wenn ich auf eine Bühne gehe oder wenn ich ein Buch geschrieben habe, dann versuche ich, den Leuten Zusammenhänge zu erzählen, die sie vielleicht so noch nicht kannten. Und das möglichst unterhaltsam. Das sehe ich schon als eine heute noch größere Aufgabe und Verantwortung, als ich das vor ein paar Jahren gesehen habe. Zugleich aber sehe ich mich ganz klar in der Position dessen, der unterhält. Das heißt, wenn ich Gedanken, die Wissenschaftler auf zehnmal höherem Niveau formulieren, ohne sie zu verkürzen, so verdichte, dass sie für sehr viele Leute nachvollziehbar sind, dann leiste ich eine aufklärerische Arbeit, die den Leuten auch noch Spaß macht. Und wenn das der Fall ist, dann habe ich eigentlich sehr viel erreicht.

Gibt es Themen, bei denen Sie sich selbst zensieren oder ist im Grunde alles auf der Bühne erlaubt?

Nein, zensieren werde ich mich nicht. Das wäre die völlig falsche Arbeitsauffassung. Ich versuche, den Themen gerecht zu werden. Also das heißt, ich versuche, keine Witze zu machen auf Kosten von Leuten, die es nicht verdient haben. Das ist, glaube ich, ein essentieller Ansatz. Ich versuche, so zu sprechen, dass ich selber die Verantwortung für das übernehmen kann, was ich sage. Was meine ich damit? Man sagt immer, Satire darf alles. Das stimmt auch. Aber wenn ich jetzt einen Witz mache auf Kosten eines Opfers beispielsweise. Nehmen wir an, eines Kriegsopfers, und auf jemanden eintreten, der ohnehin schon am Boden liegt, dann wird es schwer, das anschließend zu begründen. Und ich finde, auch Satire hat eine Begründungspflicht. Das heißt, ich muss zu dem, was ich da erzähle, stehen können. Und ich muss auch den Witz im Falle des Falles vor Leuten verteidigen, die nicht in den Kategorien des Witzes denken.

Wie hängt für Sie persönliches Wohlbefinden, sage ich jetzt mal, mit gesellschaftlicher Verantwortung zusammen?

Das ist wirklich ein guter Begriff, weil der einzige, der wirklich sinnvoll ist beim Thema Glück: das subjektive well being, also das subjektive Wohlbefinden. Das ist das einzige, was sich wirklich halbwegs messen lässt. Und die Vermessung des Glücks ist ja eine sehr schwierige Angelegenheit. Aber subjektives well being setzt auf Zufriedenheit statt auf Glück. Das ist schon mal eine andere Kategorie. Und meine Zufriedenheit ist dann da, wenn ich das Gefühl habe, dass ich in einer Welt oder in einem Land lebe, in dem ich den Beruf, den ich mache, mit voller Kraft und gefahrlos machen kann. Aber die Kategorie der Gefahrlosigkeit gerät ins Wanken. Wenn man sieht, wie es in den USA zugeht und wenn man sieht, dass viele Entwicklungen, die es vor fünf oder zehn Jahren in den USA gab, politisch später auch zu uns kamen. Wenn man sich anguckt, wie mit Kollegen wie Stephen Colbert, kurzzeitig auch Jimmy Kimmel umgegangen wurde, dann muss man sagen, inwieweit ist das in den nächsten Jahren noch möglich, was heute möglich ist? Und da kann ich nur hoffen, dass wir wissen, was auf uns zukommt, wenn wir gewissen Leuten eine Stimme geben, die schnelle Antworten versprechen, aber das Gegenteil bringen werden.

Florian Schroeder ist am Samstag, 18. Oktober, um 20 Uhr im Osterfeld zu sehen. Tickets über: www.kulturhaus-osterfeld.de