„Pforzheim. Manche Redewendungen bekommen erst in Pforzheim ihre besondere Bedeutung. „Da ist guter Rat teuer“ zum Beispiel. Wer sich beraten lassen und dafür kräftig in die Tasche greifen möchte, kann das bekanntlich neuerdings auch bei unserem Oberbürgermeister tun. Der seine besonderen Gaben des Führens und Überzeugens gerne, aber eben nicht unentgeltlich teilt. Nahezu unbezahlbar ist, dass uns nun ein Artikel aus der „Stuttgarter Zeitung“ in die Hände fiel, aus dem wir hier großzügigerweise kostenlos zitieren: „Seit er zum Pforzheimer Oberbürgermeister gewählt wurde, glaubt er, alle Köder zu besitzen, die ein Menschenfischer braucht.“
Eine Kolumne von PZ-Redakteur Marek Klimanski
Frei Haus verraten wir aber auch sogleich: Es geht hier nicht um Peter Boch (CDU). Der Satz stammt aus einem Porträt über Joachim Becker (SPD), zwölf Jahre nach seiner unerwarteten Wahlniederlage gegen Christel Augenstein (FDP). Dessen Autor folgt der gängigen These, dass Becker – insbesondere in seiner zweiten Amtszeit, wie sie als Pforzheimer Stadtoberhaupt lange keinem und vor Boch zuletzt eben Becker vergönnt war – allzu große Interessen an anderem als seinem Pforzheimer OB-Job erkennen ließ.
Bücher schreiben, mediale Auftritte (beides durchaus mit Karrieretipps an Wahlkämpfer und Ratschlägen zur Sozialpolitik bestückt), das Interesse am hoch dotierten Posten des baden-württembergischen Sparkassen-Verbandschefs etwa, vor allem aber die Kandidatur im zweiten Wahlgang der Stuttgarter OB-Wahl 1996: Das nahmen ihm viele Pforzheimer übel. Und seine eigene Partei auch: Nur knapp entging Becker einem Parteiausschluss. „OB bedauert seinen Fehler“, titelte im Januar 1997 die PZ. Alleine: Es half nicht mehr. 2001 verlor Becker Wahl und Amt.


"Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein": OB Boch erntet Kritik für Consulting-Pläne
Dass Oberbürgermeister – vor allem in ihren zweiten Amtszeiten und daher mit garantiertem Pensionsanspruch quasi bis ans Lebensende gefeit vor materiellen Sorgen – gerne ihr Wissen übers große Wie-es-geht teilen, ist nichts Ungewöhnliches. Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) etwa hat ein Buch mit dem Titel „Menschenschutzgebiet – wie die Stadt der Zukunft ein Teil der Natur wird“ geschrieben. Es verspricht einen „frischen und unideologischen Blick auf die Themen unserer Zeit“.
Was fast an Joachim Beckers Buch vom ermatteten Sozialstaat erinnert, der tendenziell gegen die damals in seiner SPD vorherrschenden Überzeugungen antrat. Bücher übrigens nehmen die Bürger ihren Stadtoberhäuptern eher nicht übel, im Gegensatz zum Schielen auf andere Jobs, sei es ein Wechsel oder eine Nebeneinnahme. Vielleicht, weil sich ein Buch für zehn, zwanzig oder 25 Euro jeder leisten kann. Joachim Becker jedenfalls hatte es nicht geschadet, schon in seiner ersten Amtszeit das Büchlein „Erfolg im Wahlkampf – Ratgeber für Kandidaten und ihre Helfer“ geschrieben zu haben.


Pforzheims OB überrascht mit Gründung einer eigenen Firma
Peter Bochs Nebentätigkeit mit Coaching und Consulting hingegen trifft bei Leserbriefschreibern, in sozialen Netzwerken, dem politischen Raum und persönlichen Gesprächen auf, gelinde gesagt, wenig Gegenliebe. Fast wie Joachim Beckers Stuttgarter Abenteuer. Hätte Becker damals und nun Boch uns vorher als Berater hinzugezogen, wir hätten abgeraten. Garantiert kostenlos, umsonst, vergeblich.

