
Autorin stellt neues Buch in Pforzheim vor: Vorfahrt für Lebensqualität in der City
Pforzheim. Bis zu sechs Spuren hat die Straße, die zwischen Waisenhausplatz und Stadtbibliothek verläuft. Sechs Spuren, über die aktuell vor allem Autos und Lastwagen rollen. Durch das geöffnete Fenster dringen ihre Geräusche in den Vortragssaal der Stadtbibliothek, in dem am Donnerstagabend viele sitzen, die das gerne ändern würden, die sich generell im Stadtbild anstelle des motorisieren Verkehrs mehr Platz für Fahrradfahrer und Fußgänger wünschen. Doch wie lässt sich das erreichen?
Katja Diehls Rat: Mit vielen Gleichgesinnten Veränderung einfordern, ein bisschen Druck machen. Ein Tipp, den sie an diesem Abend auch bei anderen Fragen gibt. Die Autorin hat sich intensiv mit Mobilität befasst und setzt sich für eine rasche Umsetzung der Verkehrswende ein. Bei einer von der Stadtbibliothek, vom Baudezernat und den Fahrradaktivisten der Critical Mass ausgerichteten Lesung präsentiert sie ihr neues Buch „Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt“. Ein Buch, in dem sie unter anderem darlegt, wie der Straßenraum für Kinder als Abenteuer- und Erlebnisraum abhandengekommen ist, wie sich ihre Spielräume ins Innere, in eingezäunte Bereiche, in Gärten und Höfe verlagert haben.
In vielen Städten gebe es eine komplett auf das Auto ausgerichtete Raumstruktur. Dabei beruhen schöne Städte aus ihrer Sicht auf menschlicher Mobilität, nicht auf Automobilität. Diehl ist Mitglied im Bundesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und berät mit ihrer Expertise auch die regierende Politik. Unter anderem ist sie Beirätin der österreichischen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Herrmann (Grüne). Sie lobt das Klimaticket, das es in Österreich gibt. Und kritisiert, dass in Deutschland der Nachfolger des Neun-Euro-Tickets 49 Euro kosten soll. Ein Preis, der laut Diehl über dem Hartz-IV-Satz für Mobilität liegt und damit nicht akzeptabel sei: „Man muss immer von der Warte der Schwächeren aus denken.“ Es gebe Menschen, die durch das Neun-Euro-Ticket zum ersten Mal richtige Mobilität erlebt hätten, und Teenager, die das erste Mal die Möglichkeit gehabt hätten, weiter wegzufahren. Diehl sagt, man habe diese Menschen „am Honigtopf schlecken lassen und ihnen den Honigtopf dann wieder weggenommen“.
Sie findet es schade, dass „wir in Deutschland so unfassbar unemotional sind, was das Reisen angeht“. In anderen Städten werde dagegen der Straßenraum gerade neu aufgeteilt. Etwa in Paris, wo es dank einer umtriebigen Bürgermeisterin inzwischen kinderfreundliche Schulstraßen gebe, in denen Autos verboten seien. Oder in Barcelona, wo 500 Superblocks umgesetzt werden sollen, in denen Straßen für Durchgangsverkehr gesperrt sind.
Zustände, von denen man in Pforzheim noch weit entfernt ist. Das wird in der sich anschließenden Fragerunde deutlich, in der die Zuhörer unter anderem wissen wollen, wie man die Stadtverwaltung dazu bewegen kann, proaktiv voranzugehen. Diehl rät, in den Behörden nach Menschen zu suchen, die mit der aktuellen Situation unzufrieden sind, und diese gezielt anzusprechen. „Ich glaube, es gibt überall Leute, die etwas verändern wollen.“ Diehl ist fest überzeugt, dass weniger Autos in den Innenstädten zu einer verbesserten Lebens- und Aufenthaltsqualität führen, dass die Gastronomie und der Handel profitieren. Sie weiß, dass es im ländlichen Raum Probleme gibt, neue Radwege durchgesetzt zu bekommen, und dass diese dann oft in erster Linie touristisch gedacht werden.