Illustration Erkältung
Reihenweise fangen sich die Deutschen gerade wieder Viren und Bakterien ein. Wie sehr diese uns zusetzen, haben wir zum Teil aber selbst in der Hand, sagt Immunologin Christina Berndt.
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Pforzheim
Christina Bernd im PZ-Autorenforum: „Es gibt keine rein körperlichen und keine rein seelischen Krankheiten“

Deutschland kränkelt: Kaum ein Tag vergeht, an dem es keine Meldungen über den aktuell extrem hohen Krankenstand gibt. Für alle, die schon bei Lesen solcher Nachrichten ein Kratzen im Hals spüren, hat Christina Berndt gute Nachrichten: Auch wenn uns Krankheitserreger erwischen, können wir beeinflussen, wie sehr uns ein Infekt trifft – zum Beispiel mit der Kraft der Seele.

Die Wissenschaftsjournalistin hat in ihrem gerade erschienenen Buch „Die Rundum Gesund Formel – Das Zusammenspiel von Psyche, Nerven und Immunsystem gezielt stärken“ neueste Erkenntnisse aus der Psychoneuroimmunologie zusammengetragen. Am kommenden Dienstag, 5. Dezember, ist sie im PZ-Autorenforum zu Gast.

PZ: Frau Berndt, gefühlt hustet und niest gerade die ganze Nation. Wie geht’s Ihnen?

Christina Berndt: Ich habe auch ein leichtes Kratzen im Hals. Zum Glück bin ich nicht richtig krank, aber ein bisschen angeschlagen. Gerade hat laut Robert-Koch-Institut tatsächlich fast jeder Zehnte irgendeinen Atemwegsinfekt.

Sie beschäftigen sich mit dem Zusammenspiel von Seele, Nerven und Immunsystem. Was kann man da konkret tun, um gut durch die Erkältungssaison zu kommen?

Das sind diese klassischen Dinge, die schon immer wichtig waren: Bewegung, gute Ernährung, frische Luft. Aber es gibt noch mehr. Wir verstehen immer besser, wie Seele, Nerven und Immunsystem zusammenarbeiten und sich gegenseitig sowohl stützen als auch verwundbar machen können. Das heißt: Nicht nur mein Immunsystem ist wichtig, um Infekte abzuwehren, sondern man kann das auch ein Stück weit mit seiner Seele tun, indem man sie stärkt.

Wie macht man das?

Das Wichtigste ist, der Seele Gutes zu tun. Zum Beispiel, indem man versucht, gute Stimmung zu bewahren, auch wenn es jetzt Winter wird und die politische Lage angespannt ist. Es geht darum, dass man es sich schön macht, dass man nicht nur auf das Negative blickt, sondern das Positive ganz gezielt wahrnimmt. Auch seine Nerven kann man stärken, indem man Entspannungsübungen macht und sich im Geiste mit den Keimen auseinandersetzt und seine Abwehrkräfte mobilisiert. Es gibt zum Beispiel Studien, die zeigen: Wenn Leute nur Bilder von Schnupfennasen angucken, dann fährt das Immunsystem hoch. So kraftvoll sind unser Geist und unsere Psyche bei der Bekämpfung von Krankheiten. Diese anderen Kräfte, die in uns sind, vernachlässigen wir viel zu häufig.

Warum tun wir das?

Weil wir so oft denken, es sei nur wichtig, Infekte zu verhindern oder Vitamin C einzunehmen. Wir ahnen oft nicht, wie sehr wir uns auch über eine starke Seele und einen gesunden Geist schützen können. Stattdessen tun wir unserer Seele nicht gut, gerade in so hektischen Zeiten, wenn es jetzt in die Vorweihnachtszeit geht. Chronischer Stress schadet sowohl der Seele als auch dem Immunsystem und öffnet so Tür und Tor für Krankheitserreger. Klar: Man wird nur krank, wenn man sich Viren oder Bakterien einfängt. Aber wie sehr die uns dann zusetzen, das können wir modulieren.

Stress kann, so schreiben Sie es in Ihrem Buch, aber auch gute Seiten haben. Wo liegt das gesunde Mittelmaß?

Das zu finden, ist extrem wichtig, weil wir inzwischen regelrecht Angst vor Stress haben. Wir denken: Oh Gott, ich darf mich gar nicht mehr stressen. Das ist falsch. Die Wissenschaft spricht heute auch von Stressimpfung. So ein bisschen Stress, das schult uns wie bei der Impfung gegen Viren. Wenn ich mich immer nur auf die Couch setze und mich schone, dann bin ich es irgendwann gar nicht mehr gewohnt, damit umzugehen. Deshalb ist es wichtig, ab und zu auch mal zu sagen: Mensch, mach jetzt! Und es ist hilfreich, auch anders auf Stress zu schauen.

Wie guckt man denn anders auf Stress?

Da kommen wieder die Seele und der Geist ins Spiel. Wenn ich zum Beispiel merke, dass ich gestresst bin und mein Blutdruck steigt, muss ich nicht denken: Oh nein, wie schrecklich, ich bin nervös. Denn das ist ja überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil, alles ist gut, weil mein Herz jetzt mehr Sauerstoff in mein Gehirn pumpt. Das macht mich leistungsfähig. Wenn man diese Signale positiv wahrnimmt, dann geht man tatsächlich besser mit dem Stress um, das zeigen Studien. Stress ist auch ein Freund.

Sie beschreiben Selbstwahrnehmung als wichtigen Schritt hin zur Rundum-Gesundheit. Haben wir in unserer schnelllebigen Welt verlernt, auf uns selbst zu hören?

Absolut. Ich will mich da auch gar nicht ausnehmen. Die meisten von uns sind mehr oder weniger Opfer dieses modernen Lebens. Toxischen Dauerstress haben wir viel zu viel. Wir sollten deshalb immer wieder nach Ruheinseln suchen. Vielleicht sind das jeden Abend zwei Stunden auf dem Sofa, die ich für mich brauche. Vielleicht sind das auch kleine Reisen, Ausflüge, Treffen mit Menschen. Es geht darum, Pausen gezielt in unseren Alltag einzubauen und sie dann wirklich zu genießen. Wir müssen insgesamt versuchen, wieder besser auf uns zu hören. Wenn man merkt, dass sich etwas gerade nicht mehr gut anfühlt, sollte man innehalten und nicht ständig seine eigenen roten Linien überschreiten. Je mehr man hinhört, desto leichter fällt es auch, die Signale richtig zu deuten.

Trotz des Zusammenspiels, das Sie beschreiben, ist in den Köpfen vieler Menschen verankert: Es gibt entweder körperliche Krankheiten – oder psychische.

Es hat eine Weile gedauert, aber dass Körper und Seele miteinander wechselwirken, ist inzwischen ziemlich akzeptiert. Und trotzdem teilt man die Krankheiten so ein. Dabei haben sie immer beide Komponenten. Es gibt keine rein körperlichen und keine rein seelischen Krankheiten, weil immer das andere mitleidet. Das ist schon bei jeder Erkältung so, man ist selten gut gelaunt erkältet. Das Immunsystem merkt als Erstes, dass da was im Anflug ist. Und dann signalisiert es uns schon: Leg dich ins Bett, zieh dich zurück. Das sind alles Signale, damit wir wieder gesund werden. Das Immunsystem beeinflusst zielgerichtet die Seele.

Wer sitzt denn da am längeren Hebel: der Kopf oder der Körper?

Das ist ein Dreieck: Geist – Seele – Immunsystem. Die sind alle mächtig und jeder dieser Teile kann uns runterreißen. Aber jeder kann uns auch stärker machen.

Ein Organ, das Sie als Immunwunder beschreiben, ist der Darm. Sogar von einem Darmhirn ist die Rede. Liegt der Schlüssel zu unserer Gesundheit also in unserem Bauch?

Ganz viel davon. Wir haben alles, was die Psychoneuroimmunologie – also dieses Dreieck aus Seele, Nerven und Immunsystem – ausmacht, im Darm vereint. Und wir wissen auch, dass viele Krankheiten, von denen wir es gar nicht ahnen, im Darm anfangen. Dazu gehört zum Beispiel Parkinson. Ein frühes Signal von Parkinson sind Verstopfung und auch Depressionen. Bei vielen psychischen Krankheiten ist die Zusammensetzung der Bakterien im Darm verändert. Immer mehr Forschung deutet darauf hin, dass der Darm hier eine große Rolle spielt. Insofern: Um den sollte man sich kümmern. Dann hat man schon viel für Geist, Psyche und Immunsystem getan.

Karten für das Autorenforum mit Christina Berndt am Dienstag, 5. Dezember, 19 Uhr, kosten 10,50 Euro (mit PZ-AboCard 6,50 Euro) und sind unter der Telefonnummer 07231 933 125 oder online unter www.pz-forum.de erhältlich.