Mundschutz tragen: Die Chefärztin Ute Oltmanns appelliert an die Bevölkerung, die strikten Hygieneregeln einzuhalten. Sie selbst lernt im Umgang mit dem Virus, vor dem sie höchsten Respekt haben, täglich neu dazu. Foto: Helios Klinikum
Pforzheim
„Corona trifft nicht nur Ältere“ - Am Helios Klinikum sind auch junge Patienten ohne Vorerkrankung gestorben

Pforzheim. Diese Erfahrung hat alle belastet. „Wenn ein junger Mensch kommt, und dessen Lunge versagt so schnell, nimmt das alle mit“, sagt Ute Oltmanns. Die Chefärztin für Lungenerkrankungen am Helios Klinikum Pforzheim hat miterleben müssen, wie erst jüngst ein 34-Jähriger in ihrem Haus an Covid-19 verstorben ist. Ein junger Mann, ohne Vorerkrankungen, der im Krankenhaus die maximale Versorgung erhalten hat, und den die Mitarbeiter doch nicht retten konnten.

Und er ist nicht der einzige. Auch ein weiterer Patient unter 50 Jahren hat die Erkrankung trotz Lungenersatztherapie nicht überlebt. „Viele Menschen denken immer noch, dass Corona nur ältere Patienten betrifft, das ist aber nicht so“, sagt Oltmanns. Zwar liegt laut Robert-Koch-Institut das statistische Durchschnittsalter bei den Todesfällen bei 81 Jahren, und 87 Prozent davon waren 70 und älter. Doch gebe es mehr junge Leute, die schwer an Covid-19 erkrankten und auch häufiger daran sterben als bei einer Influenza-Welle, sagt Oltmanns. „Aus diesem Grund ist das Virus auch so gefährlich“, betonen Oltmanns und ihr Kollege Felix Schumacher.

Mit Sorge blicken sie daher auf die jene, die sich zunehmend in Sicherheit wiegen – nicht zuletzt auch durch die ersten Lockerungen des Shutdowns. Einerseits hat der Chefarzt für Intensiv -und Notfallmedizin Verständnis dafür, dass sich jeder wieder nach mehr Freiheit sehne. „Aber man hat ein bisschen das Gefühl, die Menschen denken, Corona sei vorbei“, sagt Schumacher, „doch dem ist nicht so.“ Auch wenn man bei einer langsamen Öffnung den wirtschaftlichen und sozialen Faktor im Auge behalten müsse, funktioniere dies nur unter strikter Einhaltung der Hygieneregeln. Also Abstand halten, soziale Distanz wahren, Mundschutz tragen – und eben keine Grillpartys feiern.

Denn noch sind auch für die Mediziner viele Fragen offen – zu den möglichen Langzeitfolgen einer überstandenen schweren Lungenerkrankung ebenso wie zum Beispiel über die Behandlungsmethoden. Und dennoch lernen Ärzte und Pflegepersonal im Helios täglich neu dazu, tauschen sich in nationalen und internationalen Netzwerken aus – nicht zuletzt auch als internes Kompetenzzentrum für die Helios Kliniken in Süddeutschland. „Covid-19-Patienten sind hochaufwendige Patienten, und es kristallisiert sich heraus, dass wir unterschiedliche, individuelle Behandlungsregime brauchen“, sagt Schumacher.

Weil dies so ist, fürchten sich die Mediziner auch vor einer großen zweiten Welle, die laut Schumacher umso gravierendere Folgen für die Intensivstationen haben könnte, weil sie nicht mehr regional begrenzt sein könnte, sondern über ganz Deutschland hereinbrechen würde. Denn erste Lockerungen des Lockdowns haben sich auch am Helios Klinikum bemerkbar gemacht. Im Vergleich zur Vorwoche verzeichnete das Krankenhaus an der Kanzlerstraße mehr Corona-Patienten auf der Verdachtsstation sowie auf der Intensiv-Station. Dies liegt unter anderem auch an den vielen Infizierten bei Müller Fleisch, von denen sich bereits Patienten in stationärer Behandlung befinden und laut Klinik wohl auch noch weitere folgen werden. „Wir müssen also weiterhin angemessen mit der Situation umgehen, denn das Virus wird uns noch lange begleiten“, sagt Oltmanns.