In Norditalien haben bereits vor etlichen Tagen Hamsterkäufe begonnen, so wie hier in Casalpusterlengo. Foto: Furlan
Pforzheim
Coronavirus-Hamsterkäufe: Experten sehen Versorgung gewährleistet und warnen vor „Teufelsspirale“
  • dpa/erb

Pforzheim. Zu Vorräten für zehn Tage rät das Notfallkochbuch einer Bundesbehörde für den Katastrophenfall. In der Coronakrise nehmen Verbraucher diesen Ratschlag offensichtlich ernst und horten Lebensmittel – obwohl hierzulande noch kein Ort großflächig isoliert worden ist. Haltbare Lebensmittel, Getränke, Toilettenpapier, Reinigungstücher und Desinfektionsmittel: Der Handel berichtet von einer gestiegenen Nachfrage, sieht aber keine Gefahr für die Versorgung der Bevölkerung. Der Ökonom Marcel Fratzscher erkennt in solchem „Herdenverhalten“ eine Gefahr – ähnlich wie bei der unlängst an den Börsen ausgebrochenen Panik.

„So etwas gibt es auch bei Unternehmen und Konsumenten. Das ist zum Teil sehr irrational“, sagte der Chef des Berliner Forschungsinstituts DIW am Samstag der „Passauer Neuen Presse“. Fratzscher warnte vor einer „Teufelsspirale“, in der Firmen und Verbraucher auf die vielen Unsicherheiten mit Verhaltens- und Nachfrageänderungen reagieren. „Ein Abwärtsstrudel ist möglich. Die größte Gefahr wäre Panik.“ Der Discounter Lidl hatte bereits am Freitag in einigen Regionen und Filialen „deutlich erhöhte Abverkäufe“ verzeichnet, beispielsweise bei Konserven und Nudeln. Auch Aldi Süd hatte von einer verstärkten Nachfrage berichtet. Der Großflächendiscounter Kaufland hatte eingeräumt: „Bei stark nachgefragten Produkten kann es kurzfristig zu Engpässen kommen.“

Der Greifswalder Mediziner Nils Hübner warntevor Hamsterkäufen. Ihm seien weder aus China noch Norditalien Meldungen über Hunger bekannt. Er erwarte auch nicht, dass in Deutschland eine solche Mangelsituation auftauche. Zudem würden viele Lebensmittel wieder weggeworfen. Er sehe auch die psychologische Komponente von Hamsterkäufen: „Wenn die Menschen vor leeren Regalen stehen, führt das wieder zu Hamsterkäufen. Das ist ein selbstverstärkender Prozess.“

Einschränkungen bei der Warenverfügbarkeit im Handel sind aus Sicht des Handelsverbandes Deutschland indes bislang nicht festzustellen. Die Lieferstrukturen im Handel seien effizient und gut vorbereitet, die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet, bekräftigte dessen Sprecher Kai Falk. Wie die weitere Verbreitung des Virus die Konsumstimmung und das Kaufverhalten beeinflusst, bleibe abzuwarten. Die Unternehmen seien mit den Behörden in Kontakt, um auf weitere Entwicklungen und Empfehlungen zum Schutz der Kunden und Mitarbeiter angemessen reagieren zu können.