Pforzheim
Das wird ganz großes Kino!

Pforzheim. Pures Abspulen von Filmen, möglichst noch in einem riesigen Pulk Gleichgesinnter: Diese Kino-Zeiten sind passé. Große Menschenansammlungen werden seit Corona eher gemieden. Und: „Die Gäste wollen ein Event“, sagt Kino-Experte Nicolas Geiger.

Zudem ist Komfort gewünscht, was für langbeinige Kinobesucher auf jeden Fall eine gute Nachricht ist. Wenn man die Botschaft hört. Das tut die Kinobetreiber-Familie Geiger.

Gäste wollen Atmosphäre

Kuschlig, gemütlich, heimelig: Diese Atmosphäre können Cineasten bereits in einem kleinen Kinosaal des Rex an der Bahnhofstraße mit Fake-Kaminfeuer und kleiner Bar gemütlich im Sessel versinkend genießen. Und bald können sie sogar auf goldenen Sofas ruhen, die laut Juniorchef Nicolas Geiger „eher Betten ähneln“. Bis diese aber in den schwarzen Kinosaal geschoben werden können, vergehen noch ein paar Wochen. Die Kinosäle des neuen Roxy am Schlossberg sind noch nackt; die Arbeiter verkleiden derzeit die Wände. Und dann ist noch jede Menge Technik unterzubringen, während die neue 100-Kilowatt-Fotovoltaikanlage auf dem Dach bereits ihren Dienst aufgenommen hat. Die Unternehmerfamilie Geiger hat das veränderte Kinoverhalten und die sich verändernden Bedürfnisse schon vor Jahren erkannt und setzt der Internet-Streaming-Konkurrenz gewitzt ein individuelles Konzept von der Raumgestaltung bis hin zum Begleitprogramm für die Filme entgegen. Das Kino erstreckt sich in einem Gebäudekomplex, der von der Bahnhofstraße in den Schlossberg hineinreicht. Vor zwei Jahren schon hat sich die Familie Geiger entschlossen, den Standort in der Zerrennerstraße aufzugeben und sich auf diese Stelle unweit des Hauptbahnhofs zu konzentrieren. Mit allem Drum und Dran, mit Herzblut, Esprit und auch einer ganzen Menge Geld. Die Weichen wurden bereits in den sechs Kinos des Rex an der Bahnhofstraße 28 gestellt. Und nun rollt sozusagen die digitale Filmspule weiter in den Schlossberg 15-17. Dort kommt den Geigers mit ihrem PZ-Pressebesuch ein offensichtlich im Staub seines Gesichts arbeitender Nico Fiebrich entgegen. Der Bauherr arbeitet unter dem Dach des auf Kinoausbau spezialisierten Eisenacher Ausbauprofis André Bark und ist derzeit dabei, den Trockenbau mit seinem Team zu stemmen. Sprich: Die Wände werden entsprechend isoliert und mit Schallschutz versehen.

„Jeder Saal hat einen eigenen Brandabschnitt“, sagt Nicolas Geiger, sein Vater Michael Geiger weist auf die 28 bis 35 Zentimeter dicken Zwischenwände hin – pro Seite sechs Platten plus Wandaufbau. So ist gesichert, dass kein Kinobesucher etwas vom Film im anderen Saal mitbekommt. So ist auch gesichert, dass im Fall eines Brandfalls keine Flammen auf den Nachbarsaal übergreifen können. Brandschutzbestimmungen sind eine Sache, dass drei finale Planungen bis zum Bauantrag fällig waren oder auf Genehmigungen und den berühmten roten Punkt gewartet werden muss die andere. „Wir wollten schon im November eröffnen“, sagt Seniorchefin Conny Geiger. Nun wird es Juli. „Mitte Juli, gern auch früher“, ergänzt Nicolas Geiger, während die Gruppe durch die vier neuen Säle wandert, mit Baulampe im Schlepptau.

Viel Zeit, Nerven, Geld

Man kann es nur ahnen, die Zahl wird geheim bleiben: „Wir nehmen sehr, sehr viel Geld in die Hand“, so Seniorchef Michael Geiger. „Da wird alles komplett neu gemacht.“ Muss gemacht werden, denn an der Stelle, an der bald gemütliche Kinosessel und in zwei der vier Räume auch Sofas in Gold und Pink beziehungsweise Rot stehen werden, wurden unlängst noch Speisen serviert und war einmal das Tourist-Büro untergebracht. „Hot Shot“ steht noch in Kreide auf einer der Säulen. „Die wird es hier nicht geben“, sagt Nicolas Geiger lachend. Aber es wird auf jeden Fall mehr als „nur“ Popcorn und Nachos sein: Die Geigers wollen eine Küche einrichten, in der auch passend zum Film gekocht werden kann. Auch von den Gästen selbst. Vieles ist denkbar, vieles wird schon im Rex gemacht. An Ostern etwa dürfen Kinder mit ihren Begleitpersonen eine Stunde vor dem Film mit Nicolas Geigers Ehefrau Lea basteln. Es gibt Frühstück in Verbindung mit einem Film, Weinproben und vieles mehr. Und es durften beispielsweise Pflegekräfte, die den Film über ihre Branche mit dem Titel „Heldinnen“ sehen wollten, zum Eintrittspreis für Kinder rein.

Erst essen, dann Füße hochlegen und in den Film eintauchen: Während im großen Saal des Rex durch neue. großzügig gestaltete Sessel von 360 auf 217 Plätze reduziert wurde, wird auch im neuen Kino Platz zugunsten von Aufenthaltsqualität geopfert. Die Säle fassen mindestens 30 Personen, maximal aber nur 35 Personen. Mit zehn Sälen in Rex und Roxy insgesamt können die Geigers auch die Vorgabe erfüllen, dass ein großer Film drei Mal am Tag laufen muss. Was nicht einfach ist, wenn ein Film wie „Der Brutalist“ eine Länge von drei Stunden und 35 Minuten hat. „Das ist der Trend, die Filme werden immer länger“, so Nicolas Geiger. Dagegen ist man als Kinobetreiber machtlos. Einem weiteren Trend aber wird man sich nicht unterwerfen: dem Mikro-Kino, in dem nur vier Personen Platz haben. Würde in Pforzheim auch nicht funktionieren. „Das geht nur in Großstädten mit großen Hotels, in denen man die Boxen im Foyer aufstellen kann“, so Michael Geiger.

Zurück zum Roxy: Elektrik muss noch eingebracht werden, Lüftungsanlage eingebaut, Rampen verlegt, Leinwände gespannt und die individuelle Beleuchtung angebracht werden. Da steht der Boden im neuen Foyer, wo am Tresen Popcorn und Tickets verkauft werden, noch ganz hinten an. „Vielleicht Holzoptik, vielleicht Steinoptik“, so Nicolas Geiger. Das werde man dann ohne Kinoarchitekt und aus dem eigenen Bauch heraus entscheiden. „Bisher haben wir das gut gemacht, was der Erfolg des Rex bestätigt“, zeigt sich Michael Geiger selbstbewusst. Und man lernt dazu: Hochflor-Teppichboden werde es nur noch auf den Wegen zum Platz geben, aber nicht mehr zwischen den Reihen. „Versuchen Sie mal, einen Nacho aus dem Hochflorteppich zu saugen. ..“ Den Satz beendet Nicolas Geiger nicht.

Der Zeitplan fürs Roxy ist sportlich. Soll aber eingehalten werden. Denn: „Im Sommer kommen ganz viele große Filme“, so Conny Geiger. Bewusst wird der neue Teil des Kinokomplexes den Namen „Roxy“ tragen. „Bei zehn Sälen unter dem Namen Rex würden die Leute ja nur umherirren“, begründet Nicolas Geiger die Entscheidung. Wohl wissend, dass man „am Anfang“ die Gäste sicher noch in den direkt verbundenen Komplexen des alten und neuen Bereichs wird leiten müssen.

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