Samir Bayat ist aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Foto: Roller
Pforzheim
Den Taliban entkommen: Samir Bayat hält Vortrag in Pforzheim
  • Nico Roller

Pforzheim. „Das ist mein ganzes Leben“, sagt Samir Bayat und zeigt auf seinen Laptop. Zahlreiche Bilder, Videos und Dokumente sind auf dem kleinen Gerät gespeichert. Sie erinnern an das, was er schon erlebt hat: Bayat wohnt in der Nähe von Heidelberg, kommt aber aus Afghanistan und ist vor rund drei Jahren vor den Taliban nach Deutschland geflohen. Am Dienstag, 24. April, spricht er bei einem Vortrag der evangelischen Kirche um 19 Uhr im Hermann-Maas-Haus in der Pestalozzistraße 2 über die Situation in seinem Heimatland, über das Leben dort und darüber, wie es den in Deutschland lebenden Afghanen geht.

Er selbst fühle sich sehr wohl in Deutschland, sagt der 28-Jährige, nur die Bürokratie sei manchmal etwas anstrengend. „Aber wenn 90 Prozent gut sind, dann machen wir die Augen zu und gewöhnen uns an die restlichen zehn Prozent“, meint er lächelnd. Es scheint, als habe ihm seinen Optimismus niemand nehmen können. Auch nicht die Taliban, die ihn und zwei Kollegen vor rund fünf Jahren entführt haben.

Damals hat er in Afghanistan als Moderator für einen internationalen Fernsehsender gearbeitet, wollte eine „Brücke zwischen den Menschen und der Regierung“ sein. Als er und seine Kollegen sich auf den Weg machten, um über ein Cricketspiel in Djelal-Abad zu berichten, wurden sie von den Taliban gestoppt. Denen passte nicht, was im Fernsehen gezeigt wird und dass er dort zusammen mit Frauen arbeitet. Nur eine große Menge Lösegeld bewahrte sie damals vor dem Tod. Und Bayat musste versprechen, nie wieder fürs Fernsehen zu arbeiten.

Aber er ließ sich nicht unterkriegen, gründete eine Nachrichtenagentur, die „Afghanistan Students’ News Agency“. Deren Webseite ist mittlerweile nicht mehr aufrufbar, nachdem sie von Extremisten gehackt wurde. Nur auf Facebook gibt es die Agentur noch. Den Taliban war sie ein Dorn im Auge. 2015 schickten sie Bayat einen Brief: Wenn er nicht damit aufhöre, töte man ihn und seine ganze Familie. „Da habe ich richtig Angst bekommen.“ Seine Familie wies er an, das Haus zu verlassen. Allein floh er über die Türkei nach Deutschland. Ein Jahr später kamen Frau und Tochter nach.

Medizin studiert

Derzeit arbeitet Bayat als Arzt-Assistent im Patrick Henry Village in Heidelberg, einer großen Erstaufnahmeeinrichtung. In Afghanistan hatte er zehn Semester Medizin studiert. Sein Plan ist es, an der Universität in Heidelberg weiter Medizin zu studieren, wenn er seine Semester in Afghanistan angerechnet bekommt.  Regelmäßig hält er Vorträge über sein Heimatland. Ihm bereitet es Sorge, dass dort immer mehr Anschläge verübt werden. Viele Afghanen hätten Angst, abgeschoben zu werden. Er selbst darf bleiben – vorerst: Ende 2016 ist er für drei Jahre als Flüchtling anerkannt worden.

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