Pforzheim
Die Pforzheimer Zeitung wird 75 Jahre alt: Ganz nahe bei den Menschen und mit Freude dabei

In einer Welt im Umbruch ist der Wunsch der Bevölkerung nach verlässlichen Informationen aus vertrauenswürdigen Medien so groß wie nie zuvor. 86 Prozent – so sagt eine aktuelle Studie – bezeichnen die Tageszeitung als die wichtigste Orientierungshilfe. Dennoch verkünden ernst zu nehmende Auguren, das Ende unseres Geschäftsmodells sei gekommen und wir könnten mit dem Papierbedrucken aufhören. Gleichzeitig reift die Erkenntnis, dass das oft gepredigte Untergangs-Szenario der Zeitungen so nicht stattfinden wird. Wohl aber ein Strukturwandel gewaltigen Ausmaßes.

Mit diesem Umbruch ist nicht nur eine Phase des Strukturwandels, sondern auch des Wertewandels, ja sogar des Wertezerfalls verbunden. Wir „Medienmacher“ sind überzeugt: Ohne den Lokal- und Regionaljournalismus findet die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenswelt nicht mehr statt. Denn im Kontrast zu den wirtschaftlichen Problemen der Tageszeitungen stehen deren weiterhin hohe gesellschaftliche Bedeutung und die Glaubwürdigkeit bei den Lesern. In dieser Situation ist es uns ein Anliegen, gesellschaftliche Spaltungen zu verhindern und unsere Demokratie zu festigen. Denn diese hat ihre Basis auf lokaler Ebene – und hier sind wir primär zu Hause. Fundierte Marktuntersuchungen haben dies der Pforzheimer Zeitung wiederholt bestätig – sie ist eine lokale Marke, sie ist ein Stück Heimat.

Gutenberg läßt grüßen

Der Journalismus steht vor einer historischen Herausforderung, die derjenigen gleicht, mit der im 15. Jahrhundert der Start-up-Unternehmer Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, nach kurzfristiger Insolvenz und anschließendem Neustart, das Druckwesen umkrempelte.

Jakob und Rosa Esslinger – aus einfachsten Verhältnissen kommend – haben mit großem Engagement und Fleiß die „Pforzheimer Zeitung“ gegründet und zum Erfolg geführt.

Nun, wie gehen wir – die Zeitungsleute an Pforzheims Poststraße – mit diesem Szenario um? Wie begegnen wir – ein mittelständisches, in allen Bereichen selbstständiges Verlagshaus – dieser Herausforderung? Für uns ist entscheidend, wie wir unsere Kundennähe, unsere lokale Kompetenz auch auf Online-Wegen und in den digitalen Welten zur Stärke machen können. Wenn der Buchdruck die Technologie war, um Gedanken zu verbreiten, dann ist das Internet die Technologie, um Gedanken zu vernetzen. Insofern sind wir heute dabei, ein altes Medium neu zu erfinden.

Die Verlagsleitung treibt in engem Schulterschluss mit der Redaktion die digitale Transformation voran, um neue Zukunftsfelder zu entwickeln, ohne die Zeitung zu vernachlässigen, die ja immer noch die Haupteinnahmequelle ist. Aber richtig ist auch, dass das traditionelle Printgeschäft dauerhaft zur Finanzierung von Journalismus nicht mehr reicht, auch weil Journalismus im Digitalen noch kein nachhaltiges Geschäftsmodell ist. Dennoch sind wir im Netz gut nachgefragt, weil unsere Marke – unser Titel – täglich in der körperlichen Welt erscheint. Aber klar ist: Das E-Paper ist die Zukunft; sein Anteil an der Gesamtauflage der Zeitungen steigt kontinuierlich.

Digital breit aufgestellt

Noch verkaufen wir unverändert Anzeigen in unsere diversen Printprodukte, aber immer mehr Mitarbeiter sind unterwegs, um Werbung in unsere elektronischen Medien zu verkaufen; unser Internet-Auftritt pz-news.de ist mit rund zwei Millionen Visits im Monat und mit über fünf Millionen Seitenaufrufen zu einer starken Adresse im Südwesten geworden. Viele unserer Werbe-Kunden haben bereits realisiert, was eine aktuelle Studie gerade bestätigt: Werbung hat die größte Wirkung auf die Nutzer, wenn sie multimedial ausgespielt wird: über Print und Online.

Die Generation Facebook

Der durch das Internet ausgelöste Veränderungsprozess in der Medienlandschaft ist noch lange nicht abgeschlossen. Plattformen wie Facebook und Twitter stellen die Basis für ein weiteres ungebremstes Angebotswachstum dar. Längst haben sie sich vom Social Network zur scheinbar übermächtigen Online-Kommunikationszentrale gewandelt. Soziologen sprechen von einer Generation Facebook, von Menschen, die in einer seltsamen Zeitblase leben. Auch unsere Redaktion bedient sich in interaktiver Weise dieses Mediums und hat auf dieser Plattform viele „Freunde“. Dabei sind auch viele Multiplikatoren aus Wirtschaft und Politik. Sie vermitteln uns ein direktes „Feedback“ unserer Arbeit, geben Anregungen und sind hilfreich bei der Recherche.

Vor der Zerstörung in der Bombennacht des 23. Februar 1945 war im Zeitungshaus an der Poststraße die „Pforzheimer Rundschau“ zu Hause.

Amüsant auch, was das Enfant terrible der modernen Malerei, Andy Warhol, in einer Art postdadaistischen Anfalls sagte: „Ich glaube, dass jeder Mensch eine Maschine sein sollte“. Trotz aller Fortschritte: So weit sind wir noch nicht. Noch aber laufen Millionen Menschen mit Stöpseln im Ohr und Kabeln am Oberkörper herum, während sie ihr iPhone bedienen, das ihnen den Weg zum nächsten Pizzaladen weist. Man kennt die alltäglichen Szenen, in denen mehrere Menschen gemeinsam am Tisch sitzen und alle wie gebannt auf ihre Smartphones starren. Der Mensch als Anhängsel der Maschine. An der Leine – online. Was die Menschen dieser Generation vielleicht gerade erst beginnen zu realisieren ist, dass die vielen Möglichkeiten sie bisher weder kreativer noch aktiver gemacht haben. Frank Schirrmacher, einst Herausgeber der FAZ, hat es so beschrieben: „Das Internet verändert unsere Köpfe. Unser Gehirn wird ständig benutzt. Nicht wir benutzen, sondern es wird benutzt“.

Lokale Kompetenz – ein hohes Gut

Wie also können wir Zeitungsleute dieser Herausforderung begegnen? Zunächst einmal ist festzuhalten: Internet ist für uns Papierbedrucker kein Teufelszeug, weil es uns hilft, den Aktualitätsverlust zu kompensieren. Außerdem stellen wir fest, dass auch in diesem Medium unsere lokale Kompetenz gefragt ist. Unsere Zeitungsauflage ist stabiler als die in anderen Zeitungshäusern und mit den monatlich über zwei Millionen Visits auf unserer Internet-Plattform spielen wir in der Oberliga. Für den Erfolg entscheidend ist, dieses neue Verständnis in den Köpfen der Journalisten zu etablieren.

Nach umfassender Renovierung des Gebäudes an der Poststraße repräsentiert die Pforzheimer Zeitung auch äußerlich, was sie innerlich schon längst ist – ein zukunftsfähiges Medienhaus.
Foto: Meyer

Damit diese crossmediale Denke noch besser gelingt, haben wir durch relativ aufwendige Maßnahmen unsere Redaktion auch räumlich den neuen Erfordernissen angepasst. Im großen Newsroom sind Print und Online auf Augenhöhe längst vereint.

Mit Handel eng verbunden

Mit unserem Wirtschaftsraum sind wir Medienleute auf schicksalhafte Weise verbunden. Das Wissen um die Kunden, deren Interessen und Erwartungen ist zumeist der Schlüssel zum Erfolg. Denn von unseren Kunden wissen wir, dass auch sie Suchende sind, dass auch sie permanent an den Stellschrauben drehen, um in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich zu sein.

Das gilt insbesondere für den lokalen Einzelhandel, unsere wichtigste Klientel. Er muss sich in Zeiten des wachsenden Online-Handels geradezu neu erfinden. Die Werbung um den Kunden findet heute auf vielen Wegen statt; es ist unsere Aufgabe, dem Handel hier ein kompetenter Partner zu sein und ihm Wege zum Erfolg aufzuzeigen. Dabei macht das Verkauf-Team im Pforzheimer Medienhaus die Erfahrung, dass Werbekunden nicht mehr so sehr auf die verkaufte Auflage schauen als vielmehr darauf, ob die Zeitung gut im Markt etabliert ist.

Verantwortung – ja gerne

Pforzheims Probleme, die der Region sind also unsere Probleme. Wir gehen sie nicht zuletzt durch unsere Berichterstattung gezielt und konstruktiv an. Weil wir wissen, dass wir als Medienhaus auch zunehmend öffentliche Verantwortung übernehmen müssen. Nicht im Sinne von Einmischung, sondern als treibende Kraft im öffentlichen Raum, als wichtiger und wohlmeinender Begleiter einer Entwicklung, die Pforzheim und seine Region in eine gute Zukunft führen soll.

Verantwortung und soziale Kompetenz haben wir längst auch in anderer Weise übernommen: Seit über 35 Jahren gibt es unseren in der Bevölkerung tief verankerten Hilfsverein „Menschen in Not“ und meine „Jakob und Rosa Esslinger-Stiftung“ – 2002 gegründet – gibt jedes Jahr rund 70 000 Euro für Projekte der vorschulischen Erziehung und Leseförderung aus. Gleichzeitig engagieren wir uns in vielfältige Sponsoring-Maßnahmen und mannigfache Aktivitäten im kulturellen und bürgerschaftlichen Bereich könnten ohne unser Zutun so nicht stattfinden.

Old economy oder die „gute alte Zeit“ des Bleisatzes. Metteur Kurt Griesmayer und Chefredakteur Werner Augenstein beim Umbruch, dem Zusammenstellen der Zeitungsseiten.

An der Tatsache, wie wir im Pforzheimer Zeitungshaus unsere Arbeit immer wieder auf den Prüfstand stellen, ist erkennbar, dass wir uns nie in Selbstzufriedenheit geübt haben. Die permanente Veränderung ist bei uns zu einem gelernten Prozess geworden. Er stellt an unsere Mitarbeiter große Anforderungen im Denken und Handeln.

Bei Lesern fest verankert

Und wie wird es mit uns Zeitungsleuten weitergehen? Die Tatsache, dass die bezahlten Zeitungsauflagen auch in Deutschland seit etwa 20 Jahren leicht rückläufig sind, ist nichts Neues. Die Gründe dafür sind seit langem bekannt: Die Fragmentierung der Gesellschaft, die Rückdrängung der Familie, insbesondere in Großstädten, die sinkende Lesekultur. Unter diesen Umständen ist hervorzuheben, dass die bezahlten Tageszeitungen in Deutschland nach wie vor beachtliche Reichweiten haben. Auch die Pforzheimer Zeitung ist eine lokale Marke, sie ist ein Stück Heimat. Denn im Kontrast zu den wirtschaftlichen Problemen der Tageszeitungen stehen deren weiterhin hohe gesellschaftliche Bedeutung und die Glaubwürdigkeit bei den Lesern. Zeitungen sind Träger des regionalen Wir-Gefühls, sie werden in der Regel als Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur und als ein wichtiger Ausdruck des Selbstbewusstseins einer Region gesehen. Mehr noch: Die Heimatzeitung ist der Kitt in der Region, wie die Heimat in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, für die Menschen in der Region immer wichtiger wird. Die lokalen Nachrichten wirken dem Zusammenbruch des sozialen Zusammenhalts entgegen, sie sind nicht der Humus der Demokratie, aber ein wichtiger Nährstoff.

Trotz aller Aufgeregtheit, die wir derzeit in der Medienwelt erleben, ist aber auch Gelassenheit angesagt. Immer noch empfindet die Mehrzahl der Deutschen die Zeitung als eine wertvolle Hilfe, wenn man sich eine eigene Meinung bilden will. Ihre ureigenen Stärken, umfassend zu informieren, Hintergründe zu erhellen, Zusammenhänge sichtbar zu machen und die Leser zum Selbstdenken zu befähigen sind mehr denn je gefragt!

Schon heute wächst die Erkenntnis, dass unterschiedliche Lesekompetenzen zwischen sozialen Gruppen dazu führen, dass Wissensklüfte in der Gesellschaft zunehmen. So gilt heute mehr denn je, was der amerikanische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan einst so formulierte „We are overnewsed, but uninformed“.

Dankbar für das Vertrauen

Um es auf den Punkt zu bringen: Eine Gesellschaft, die nur noch glotzt und postet und nicht mehr liest, verfügt nicht mehr über dieselbe Qualität. Denn nur eine Gesellschaft, die liest, ist eine Gesellschaft, die denkt. Und genau damit verbinden wir manche Hoffnung. Unser Verlagshaus ist für die Zukunft gut aufgestellt. Nicht operative Hast, sondern eine ruhige Hand prägt diese Zeit des Strukturwandels. Wir Zeitungsleute von der Poststraße stellen uns selbstbewusst diesem Wettbewerb mit den neuen Medien. Und das Ziel ist klar: Wir müssen in einem Art trial&error-Modus ein zukunftsfähiges digitales Unternehmen aufbauen, bevor der Tag kommt, an dem Print nicht mehr tragbar ist.

Ein weiteres Moment will ich nicht unerwähnt lassen: Die Zeitung bietet in einer Welt der Echtzeit-Kommunikation auch ein retardierendes Moment, ein Moment der Entschleunigung, wird zu einem Ort der Besinnung. Der Markt dafür wird wachsen! Wie immer auch dieser Strukturwandel ausgeht, wir sind längst dabei, ihn durch aktives Handeln zu gestalten. Damit verbunden ist ein hohes unternehmerisches Risiko. Wir wissen bei diesem Prozess aber jene Bürger an unserer Seite, die am Geschehen vor ihrer Haustür noch interessiert sind und die unserer lokalen Kompetenz und unserer Glaubwürdigkeit vertrauen.