Erfolgspodcaster und Buchautoren: Philip Banse (links) und Ulf Buermeyer.
Buermeyer
Pforzheim
Erfolgspodcaster kommt ins PZ-Autorenforum: „Unser Land wird zu negativ dargestellt“

Jurist Ulf Buermeyer, bekannt aus dem Podcast „Lage der Nation“, spricht vor seinem Besuch im PZ-Autorenforum über die „Baustellen der Nation“ – und was gegen die Probleme getan werden kann.

Die Bahn, der Föderalismus, die Digitalisierung: Das sind nur drei der großen Baustellen Deutschlands, die Ulf Buermeyer und Philip Banse ausgemacht haben. Gemeinsam analysieren der Jurist und der Journalist seit Jahren die deutsche Politik in einem der erfolgreichsten politischen Podcasts des Landes, der „Lage der Nation“. Daraus ist nun ein Buch entstanden: In „Baustellen der Nation: Was wir jetzt in Deutschland ändern müssen“ beschreiben die beiden die Herausforderungen, vor denen das Land steht – und liefern gleich Lösungsansätze mit. Am Donnerstag, 18. Januar, präsentiert Buermeyer das Buch im PZ-Autorenforum. Welche Baustelle die größte ist, wie er die hohen AfD-Zustimmungswerte beurteilt und warum Deutschland für ihn ein attraktives Land ist, darüber hat die PZ mit ihm gesprochen.

PZ: Herr Buermeyer, Sie beschreiben acht „Baustellen der Nation“. Welche ist die größte?

Ulf Buermeyer: Alle „Baustellen“ in unserem Buch sind wichtig, aber unser allzu schwerfälliger Föderalismus ist derzeit das größte Problem. Unser Land wird immer wieder ausgebremst, weil die Mehrheit im Deutschen Bundestag so wenig entscheiden kann: Die Länder können Entscheidungen in allen wichtigen Fragen im Bundesrat blockieren. Die gute Nachricht ist aber, dass sich dieses Problem besonders schnell lösen ließe, wenn die Parteien nur wollen – und es würde noch nicht einmal etwas kosten. Wir beschreiben in unserem Buch mehrere Wege dazu.

Sie schreiben, Deutschland sei für Sie „im Kern ein attraktives und funktionierendes Land“. Viele Menschen sehen das aktuell anders. Woran liegt das?

Unser Land wird in vielen Medien zu negativ dargestellt. Unser Rechtssystem funktioniert gut, unsere Wirtschaft fährt Rekordgewinne ein, der Dax steht am Allzeithoch, wir haben praktisch Vollbeschäftigung. Wahr ist aber auch: Auf vielen Gebieten herrscht Reformstau, gerade in Feldern, wo es die Menschen im Alltag besonders deutlich spüren, etwa bei der Bahn oder bei Schulen und Straßen. Der wichtigste Grund liegt auf der Hand: Unser Staat ist seit Jahrzehnten unterfinanziert. Ein paar Jahre konnten wir ganz gut von der Substanz leben, aber inzwischen läuft vieles nicht mehr rund, wir müssen massiv investieren, vor allem in Infrastruktur und Digitalisierung.

Bei vielen Baustellen könnte man Ihrer Analyse nach schon mit einfachen Mitteln deutliche Verbesserung erreichen. Wo denn zum Beispiel?

Ein einfaches Beispiel ist die Bahn: In der Hoffnung, sie fit für die Börse zu machen, wurde sie in den 90ern in Hunderte kleiner und kleinster Unternehmen unter dem Dach der DB AG zerschlagen – insgesamt rund 600. Was wir als ein Unternehmen wahrnehmen, ist in Wirklichkeit ein völlig ineffizientes Puzzle, in dem die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut. Die gute Nachricht: Weil der Gang an die Börse letztlich scheiterte, gehört die DB AG nach wie vor allein dem Bund. Er könnte aus dem Kleintierzoo innerhalb weniger Jahre wieder ein effizientes Unternehmen formen, wenn der politische Wille dafür da ist.

Die aktuellen Baustellen entstanden durch teils durch jahrzehntelange Versäumnisse. Kann eine neue Regierung diese in einer Legislaturperiode überhaupt beseitigen?

Nein, aber sie kann die Weichen richtig stellen, beispielsweise dadurch, dass es dem Bundesrat schwerer gemacht wird, Reformen zu blockieren, oder dass die Kommunen in Deutschland so finanziert werden, dass sie ihre Aufgaben auch erfüllen können. Dann würden die Menschen schon in wenigen Jahren spüren, dass das Land wieder voran kommt.

Sie wünschen sich in Ihrem Buch Politiker, die Menschen vom Wert langfristiger Politik überzeugen können. Jagen wir in Deutschland, ähnlich wie in den USA, nur noch von Wahlkampf zu Wahlkampf?

Ein Stück weit liegt das in der Natur der Demokratie – wer in die Politik geht, will nun einmal meistens wiedergewählt werden. Aber wir müssen auch in den Spiegel schauen, denn immerhin sind es ja die Wählerinnen und Wähler, die entscheiden, ob sie nachhaltige oder kurzsichtige Politik mit ihrer Stimme belohnen.

Erst die Europa- und Kommunalwahl, dann drei Landtagswahlen im Osten – und die AfD legt in allen Umfragen weiter zu. Können Sie da noch optimistisch sein?

Natürlich gibt es einen rechtsextremen Bodensatz in unserem Land, aber ich lese die AfD vor allem als Warnsignal, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung sehr unzufrieden mit den Leistungen „des Staates“ auf allen Ebenen ist. Wir dürfen nun nicht den Fehler machen zu denken, dass es um Migration gehe – davon sind die Menschen im Alltag kaum betroffen, und Geflüchtete dienen lediglich als Sündenbock, so wie bei den Nazis „die Juden“ an allem schuld waren. Vielmehr lohnt es sich zu fragen, wo die Menschen zu Recht unzufrieden sind. Einige dieser Probleme und vor allem Lösungen beschreiben wir in unserem Buch. Insofern ist es auch ein Buch gegen den Faschismus: Die Demokratie muss einfach besser liefern, denn damit entzieht man der AfD den Nährboden der Unzufriedenheit.

Seit sieben Jahren nehmen Sie mit Ihrem Kollegen Philip Banse den Podcast „Lage der Nation“ auf, in dem Sie politische Prozesse und Entscheidungen analysieren. Was haben Sie dabei über Deutschland gelernt?

Dass es erfreulich viele Menschen gibt, die sich für sehr für Politik interessieren – wenn man sie ihnen nur gut erklärt. Und am meisten freut mich, wenn Menschen, die die „Lage“ hören, irgendwann entscheiden, dass sie sich in einer demokratischen Partei engagieren. Denn unsere Demokratie lebt vom Mitmachen.

Zur Person

Ulf Buermeyer wurde 1976 in Osnabrück geboren. Er studierte Rechtswissenschaft, Psychologie, Ägyptologie sowie Politikwissenschaft. Seit 2016 moderiert Buermeyer gemeinsam mit dem Journalisten Philip Banse den wöchentlichen Podcast „Lage der Nation“. Nach eigenen Angaben erreicht jede Folge rund eine halbe Million Menschen und macht die „Lage“ damit zu einem der meistgehörten Politikpodcasts des Landes. Seit Oktober 2020 ist der Jurist Buermeyer von der Berliner Justiz beurlaubt und arbeitet als hauptamtlicher Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), einem von ihm mitbegründeten Verein, der mit strategischen Klagen zum Schutz der Grundrechte beitragen will. 

Karten für das Autorenforum mit Ulf Buermeyer am Donnerstag, 18. Januar, 19 Uhr, kosten 10,50 Euro (6,50 Euro für Inhaber der PZ-Abocard) und sind telefonisch unter 07231-93 31 25 oder hier erhältlich.