Markus Gindele, Wohnheimleiter der Thales-Unterkunft, und Sozialbürgermeister Frank Fillbrunn diskutieren mit den Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum (CDU), Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP) und Stephanie Aeffner (Grüne) sowie dem Leiter des Jugend- und Sozialamts Joachim Hülsmann (von links) die Unterbringung in der Unterkunft auf dem Thales-Gelände.
Stadt Pforzheim; Louis Goldmann
Pforzheim
Flüchtlingssituation spitzt sich weiter zu - Abstimmung als Protestzeichen genutzt

Pforzheim. Der gegenwärtige Zuzug von Geflüchteten bringt die Kommunen an die Grenzen des Leistbaren. Auch die Situation in Pforzheim ist extrem angespannt. Aus diesem Grund haben Oberbürgermeister Peter Boch und Sozialdezernent Frank Fillbrunn die Bundestagsabgeordneten Stephanie Aeffner (Grüne), Gunther Krichbaum (CDU), Katja Mast (SPD) und Rainer Semet (FDP) in die Flüchtlingsunterkunft auf dem Thales-Gelände eingeladen, um auf die aktuelle Lage vor Ort aufmerksam zu machen. Als es im Gemeinderat um die Abstimmung zur Sicherung und Schaffung von Flüchtlingsunterkünften ging, gab es auch Stadträte, die mit einem Nein stimmten, um so ein Zeichen des Protestes zu setzen.

Als „klares Signal“ nach Stuttgart und Berlin wollten jene Stadträte von AfD, Freien Wählern und Unabhängigen Bürgern ihr ablehnendes Stimmverhalten zur Sicherung und Schaffung von Flüchtlingsunterkünften verstanden wissen. Es reiche nicht mehr aus, Briefe zu schreiben, fand Michael Schwarz (FW). Die „Schockstarre“ sei nicht länger hinnehmbar. Dem schloss sich Norbert Sturm (AfD) an, der es für notwendig erachtete, dass Druck von den Kommunen ausgehe. Axel Baumbusch (Grüne Liste) wollte nach „diesen zwei populistischen Forderungen“ wissen, was denn passieren würde, wenn alle gegen das Vorhaben stimmten. Auch Stadtrat Reinhard Klein (Bürgerliste) empfand einen Hilferuf durch Ablehnung für den falschen Weg. Christof Weisenbacher (WiP) wiederum begründete die Ablehnung damit, dass man die Standorte Adolf-Richter-Straße und Eutinger Talweg für „nicht erhaltenswürdig“ erachte.

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„Glücklich sind wir mit all dem auch nicht“, gab Sozialdezernent Frank Fillbrunn offen zu. Auch nicht mit der Lösung im Eutinger Tal. Doch die Alternative wären Hallenbelegung oder Zelte – „das wollen wir nicht“. Das Gremium stimmte schließlich bei zehn Nein-Stimmen und einer Enthaltung den Vorhaben der Stadtverwaltung zu.

Thales-Unterkunft bald voll

Der Leiter des Jugend- und Sozialamts, Joachim Hülsmann, gab einen Überblick über die Situation im Stadtgebiet: Bis zu 500 Personen können im Thales theoretisch untergebracht werden. Aufgrund von unterschiedlichen Familien- und Zimmergrößen ist die Kapazität jedoch in Realität etwas niedriger. Die Stadt Pforzheim hatte die Unterkunft Ende März in Betrieb genommen. Ende Oktober war sie bereits mit über 386 Personen belegt. Im Schnitt muss die Stadt im Monat rund 90 Personen in die vorläufige Unterbringung aufnehmen. Damit wäre die Flüchtlingsunterkunft in der Thales-Immobilie schon in kurzer Zeit voll belegt. Nur durch Umschichtungen von Plätzen kann noch etwas Zeit gewonnen werden.

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Fasst man die rund 35 städtischen Unterkünfte der vorläufigen Unterbringung und der Anschlussunterbringung zusammen, so waren hier im Oktober insgesamt rund 1280 Personen untergebracht. Die Verwaltung rechnet in den nächsten ein bis zwei Jahren perspektivisch mit einer Gesamtbelegung von rund 1500 Personen.

Hallenbelegungen vermeiden

Gemeinsam besichtigten die Abgeordneten die Shed-Halle und bekamen Einblick in die Wohnsituation, die Küchenbereiche und den Verwaltungstrakt im zweiten Gebäude. Der Rundgang endete mit einem Austausch in einem Sozialraum. Einig war man sich darin, dass die irreguläre Migration reduziert werden muss und es entsprechender Lösungen und Instrumente bedarf. Die Unterbringungskapazitäten der Stadt sind nahezu ausgeschöpft. Um erneute Hallenbelegungen zu vermeiden, schichtet die Stadt Plätze der Anschlussunterbringung in die vorläufige Unterbringung um.

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Hunderte weitere Plätze

Die Möglichkeiten dazu sind jedoch begrenzt, da 2024 viele Personen aus der vorläufigen Unterbringung in die Anschlussunterbringung kommen. Die Unterkunft an der Paul-Löbe-Straße dient seit November wieder als vorläufige Unterbringung. Zudem drohen in den nächsten Jahren viele Unterbringungsplätze wegzufallen, wenn diese nicht gesichert oder ersatzweise neu geschaffen werden. Wie berichtet, sollen an der Adolf-Richter-Straße und dem Eutinger Talweg Plätze gesichert und langfristig erhalten werden. Angrenzend an den Eutinger Talweg und an weiteren Standorten sollen zudem 400 bis 500 Plätze geschaffen werden.