
Pforzheim. Manchmal muss es im Leben schnell gehen, dann kommt es im Zweifelsfall auf ein paar Sekunden an. So wie im Fall von Julia Schleehauf, die seit einem schweren Verkehrsunfall vor sieben Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Entmutigen lässt sich die junge Frau davon aber keineswegs, stattdessen geht sie offen mit ihrem Schicksal um. Im ersten Video der neuen Kampagne "Mach Platz!" Wir wollen retten!" des Polizeipräsidiums Pforzheim erzählt sie ihre Geschichte und will damit Aufmerksamkeit schaffen, wie wichtig eine funktionierende Rettungsgasse im Notfall sein kann.
Bis Ende des Jahres will die Polizei mit monatlich erscheinenden Videos sowie zusätzlichen Bildbeiträgen für das Thema Rettungsgasse sensibilisieren und zeigen, dass es theoretisch jeden treffen kann. "Als ich gefragt wurde, ob ich bei der Kampagne mitmachen würde, habe ich sofort gesagt, dass ich dabei bin. Ich finde es ist ein extrem wichtiges Thema", macht Julia Schleehauf entsprechend im Gespräch mit PZ-news die Beweggründe für ihr Engagement deutlich.
Leben ändert sich nach Unfall schlagartig
Es war ein verregneter Freitag Ende Juli 2013, als das Schicksal unerbittlich zuschlug. Gemeinsam mit ihrer Familie war die inzwischen 27-Jährige damals auf der A23 hinter Hamburg unterwegs. Auf regennasser Fahrbahn überschlug sich das Auto zweimal, wobei ihre Dachseite so stark eingedrückt wurde, dass sie eine Trümmerfraktur im Rücken erlitt.
"Ich hatte sieben gebrochene Wirbel. Der siebte Halswirbel war so zertrümmert, dass er entnommen und durch einen Titanwirbel ersetzt werden musste. Außerdem war mein Brustbein gebrochen und meine Lungenflügel gequetscht", beschreibt sie die schweren Verletzungen, die sie sich damals zuzog.
Als sie nach dem Unfall schließlich im Krankenhaus wieder zu sich kam, hatte sich das Leben der jungen Frau schlagartig geändert, vom Hals abwärts spürte sie praktisch nichts mehr. Dank regelmäßiger Physiotherapie (unter anderem auch in Pforzheim), diversen Rehas und Hippotherapie – ein spezielles physiotherapeutisches Verfahren auf Pferden – kann sie ihre Arme und Hände inzwischen aber wieder fast normal bewegen und auch ihren Rumpf recht gut stabil halten.
"Geht bei mir nicht in den Kopf, warum man keine Rettungsgasse bildet"
Dass es ihr heute wieder verhältnismäßig gut geht, verdankt sie neben den Therapiemaßnahmen auch den Rettungskräften, die dank funktionierender Rettungsgasse schnell am Unfallort sein konnten. Entsprechend verärgert ist die Angestellte eines Stuttgarter IT-Systemhauses daher, wenn sie sieht, dass die Rettungsgasse eben nicht funktioniert.

"Ich ärgere mich total, weil es so eine simple Sache ist, die eigentlich jeder versteht. Ich frage mich immer, was in den Leuten vorgeht, dass sie es einfach nicht machen. Man muss sich nur mal ganz kurz überlegen, was passiert, wenn man selber – oder ein Familienmitglied oder Freund - da vorne liegt. Deswegen geht das bei mir ehrlich gesagt nicht in den Kopf, warum man keine Rettungsgasse bildet", sagt sie.
Rettungsgasse funktioniert tagtäglich nicht
Dass die Rettungsgasse dennoch oftmals noch immer nicht funktioniert, erleben die Beamten der Autobahnpolizei "quasi bei jedem Stau" auf der A8 rund um Pforzheim, wie auch Autobahnpolizist Baran Güger PZ-news leider bestätigen muss: "Wir müssen täglich hier durch, sei es zu Unfällen oder medizinischen Notfällen – und wir werden immer behindert."
Wichtig sei bei einer Rettungsgasse vor allem, dass man sie rechtzeitig einrichtet. Sobald die Geschwindigkeit auf Schritttempo abfällt, sollte man sie spätestens gebildet haben. "Denn wenn der Verkehr erst einmal steht, dann steht er. Dann gibt es auch kein vor und zurück mehr", erklärt Güger. Wer die Rettungsgasse dennoch nicht bildet, riskiert ein Bußgeld bis zu 320 Euro, Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot.
Dabei ist es im Übrigen auch unerheblich, wodurch der Stau bedingt ist. Egal ob bei einem Unfall oder erhöhtem Verkehrsaufkommen, wie es in Baden-Württemberg in der gerade erst begonnenen Ferienzeit vorkommt: "Die Rettungsgasse muss immer gebildet werden, sobald es zu stockendem Verkehr kommt. Denn man weiß ja am Ende der Rettungsgasse nicht, was vorne passiert ist", stellt Gügers Kollege Frederik Schüßler klar.
Schon drei Verkehrstote 2020 auf A8 rund um Pforzheim
Im Jahr 2020 ereigneten sich bis zum 29. Juli – trotz des zum Teil geringeren Verkehrs aufgrund Corona - auf der Gemarkung Pforzheim auf der A8 bereits über 54 Verkehrsunfälle, bei denen drei Menschen ums Leben kamen und über acht schwer verletzt wurden.


"Mach Platz! Wir wollen retten!": Polizeipräsidium Pforzheim startet neue Kampagne zum Thema Rettungsgasse
Ob auch Julia Schleehauf im Falle einer nicht funktionierenden Rettungsgasse möglicherweise nicht überlebt hätte, kann sie selbst nicht zu hundert Prozent beantworten. Ein damals beim Unfall im Einsatz gewesener Polizist habe ihr aber erzählt, dass wohl keiner der Insassen lebend aus dem Fahrzeug gekommen wäre, wenn die Familie "ein anderes Auto gehabt [hätte] und die Rettungskräfte nicht so schnell vor Ort gewesen wären".
An den Unfall selbst hat sie keine Erinnerungen mehr, alles was sie weiß, stammt aus Erzählungen von Zeugen, der Polizei und ihrer Familie. Vermutlich auch deshalb hat sie heute keine Angst in ein Auto zu steigen. "Ich fahre wahnsinnig gerne Auto, mir macht das Spaß", sagt sie. Lediglich bei Regen sei sie "ein bisschen angespannt".