Das Thema „Aufgetischt“ macht gute Laune bei (hinten von links): Kai Adam (Obermeister Löbliche Singergesellschaft), Katja Poljanac, Friederike Zobel, Isabel Schmidt-Mappes (alle Schmuckmuseum) sowie (vorne von links) Andrea Binz-Rudek und Klara Deecke (beide Stadtarchiv) mit einem Nachdruck von „Früchten und Gewächsen aus Brasilien“ von Julius Näher (1878). Uta Volz
Uta Volz
Pforzheim
Historische Spuren kulinarischer Freuden
  • Uta Volz

Unterhaltsame Führung durchs Stadtarchiv rund um Pforzheimer Essens- und Wirtshauskultur.

Essen und Trinken geht immer. Sogar im Archiv, wo es da ja eigentlich nur trockenes Papier gibt. Dass das ausgesprochen unterhaltsam sein kann, zeigte der große Andrang zum „Montagabend im Stadtarchiv“. Die Führung „Aufgetischt. Eine kulinarische Weltreise“ wollten so viele Interessierte sehen, dass drei statt einer Gruppe treppauf, treppab durch Büros mit Fotoschränken und Kellerräume voller Archivregale wanderten, die normalerweise nicht öffentlich zugänglich sind. Aus dem „papierenen Gedächtnis der Stadt“ hatten Archivleiterin Klara Deecke und ihr Team viel Interessantes rund um die Essens- und Wirtshauskultur in Pforzheim zusammengetragen. Der Abend fand in Kooperation mit der Löblichen Singergesellschaft und dem Schmuckmuseum statt, wo bis 19. April unter demselben Titel Schmückendes rund um Tisch und Tafel zu sehen ist.

In einem „typischen Archivraum“ gab es einen kleinen Vortrag rund um die Kartoffel. Das Archivteam hatte herausgefunden, dass sie 1794 in Pforzheim bekannt war und ab 1798 unter dem Namen „Grundbirne“ auch gegessen wurde.

Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich die Kartoffel zum unverzichtbaren Grundnahrungsmittel entwickelt. Knappheit und Ernteeinbrüche führten 1918 zu Rationierung und „Kartoffelgutscheinen“, 1923 gar zu Unruhen.

Der gleichzeitige Mangel an Fleisch veranlasste Oberlehrerin Emma Wundt aus Karlsruhe, ein Badisches Kriegskochbüchlein, später auch ein Badisches Kochbuch zu verfassen. Hermine Kiehnle, Leiterin der Kochschule des schwäbischen Frauenvereins, hatte die schwäbische Variante eines solchen Standardwerks geschrieben – die badischen „Hildabrötle“ heißen hier „Olgabrötle“. Alle Bücher sind heute noch antiquarisch erhältlich.

Doch die Kartoffel im Archiv kann auch einen ernsten Aspekt haben: In der Pforzheimer Rundschau erschien 1940 eine Anzeige, die eine Versteigerung von Hausrat, darunter eine große Menge Kartoffeln, ankündigte. Nicht vermerkt ist, dass es sich um beschlagnahmten Besitz nach Gurs deportierter jüdischer Mitbürger handelte.

Musterbücher und Kataloge, unter anderem von der Firma Gebrüder Hepp verdeutlichten bei der Führung, welche Rolle die Herstellung von Besteck und Tafelwaren in Pforzheim hatte. Eine Ausstellung im Lesesaal präsentierte das älteste Kochbuch aus dem Jahr 1699, aber auch eine Weinkarte aus dem Ratskeller aus dem Jahr 1924.

Im Vortragssaal gab es zum Abschluss der gelungenen Veranstaltung als kulinarische Überraschung Singerlaible und selbst gebackene Hildabrötle für alle, während eine Diaschau Fotos historischer Pforzheimer Wirtshäuser an die Wand warf.

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