Massive Einschränkungen statt Leinwand-Vergnügen: die Kinofamilie Geiger ... Foto: Meyer
Wagen mal wieder Neues: Zusammen mit Michael Spiegel wollen Nicolas, Cornelia und Michael Geiger (von links) Programmkino für Pforzheim entwickeln.
Viele Promis – wie Heinz Erhardt – konnte Vater Kurt Geiger in seinen Kinos empfangen. Davon zeugen alte Aufnahmen im Büro von Michael Geiger. Foto: Moritz
Michael Geiger zeigt 2009 im Vorführraum des Rex5 einen Prospekt für einen 3-D-Projektor, der in den nächsten Tagen dort aufgestellt werden soll.
Nicolas Geiger, Kinobetreiber in der dritten Generation, zeigt 2012 den neuen digitalen Filmprojektor.
Marie-Luise, Michael und Kurt Geiger geben 2004 Einblicke ins Fotoalbum. So mancher Star hat in ihren Kinos Autogramme gegeben.
Pforzheim
Im Rex wird Filmkunst zum Programm: Kinobetreiberfamilie Geiger geht mit neuem Format an den Start

Viel haben sie in den vergangenen Jahren getan. „Die Hausaufgaben gemacht“, wie es Michael Geiger formuliert. Im Rex-Filmpalast an der Bahnhofstraße hat der Träger des Wirtschaftspreises 2017 der Stadt Pforzheim aufwendig in Ausstattung, Komfort und Kinotechnik investiert, um den Gästen ein immer besseres Erlebnis zu bieten. Mit „Geigers Black“ und „Geigers Blue“ sowie der Cinelounge will die Pforzheimer Kinobetreiberfamilie im Rex alle Zielgruppen ansprechen.

Und dennoch spüren auch Michael, Cornelia und Sohn Nicolas Geiger die gesellschaftlichen Veränderungen, spüren die Konkurrenz der Streaming-Dienste wie Netflix, die vor allem die jüngeren Leute immer häufiger zu Hause vor dem Smartphone oder dem heimischen Flachbild-Fernseher verweilen lassen. Weniger Besucher und damit auch eine geringere Auslastung als früher haben die Kinobetreiber im Rex-Filmpalast und im Cineplex in jüngster Zeit registriert, das mit 600 Sitzplätzen einen der größten Säle der Region bietet. „Es wird zunehmend schwieriger und der Aufwand größer“, sagt Michael Geiger.

Eine halbe Million Euro haben die Pforzheimer Kinobetriebe 2012 investiert und die fünf Kinosäle im Rex und die sechs Kinosäle im Cineplex auf modernste digitale Bild- und Tontechnik umgestellt.

Nicht nur deswegen versucht die Pforzheimer Kinobetreiberfamilie nun, ganz neue Wege einzuschlagen und in eine Nische vorzustoßen, die es in der 125 000-Einwohner-Stadt in dieser Form noch nicht gibt. „Wir wollen uns verstärkt um Filmkunst bemühen“, sagt Michael Geiger.

Mit „Geigers Black“ und „Geigers Blue“ hat die Familie erst in diesem Jahr zwei Säle der neuen Generation eingeweiht.

Dazu soll der Kinosaal 2 im traditionsreichen, seit 1947 bestehenden Rex-Filmpalast zum Programmkino werden. Von Januar an ist dort ein monatlich wechselndes Programm geplant, das sich inhaltlich von den anderen Kinosälen abgrenzt. Um dies zu erreichen, haben sich die Geigers Michael Spiegel ins Boot geholt. Der freie Journalist und Filmtheaterkaufmann berät Lichtspielhäuser und ist in der Kinodisposition und im Filmmarketing tätig. Er ist überzeugt, dass Pforzheim Potenzial hat. Schließlich fehle in der Goldstadt ein richtiges Programmkino. „Ich bin guter Dinge, dass wir hier etwas Gutes entwickeln können“, sagt Spiegel, der in dem neuen Format eine große Chance sieht, andere Akzente zu setzen und eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen – etwa Studenten oder das Bildungsbürgertum, das Kino auch mit gesellschaftlichem Erlebnis verbinde. Das deckt sich mit den Erfahrungen Geigers, dass in allen Bereichen immer mehr der Eventcharakter gefragt sei. „Und es geht darum, bestimmte Filme sichtbarer zu machen“, sagt Michael Spiegel. Da das Kinogeschäft noch immer ein regionales sei, setzt er dabei auch auf lokale Akzente. Das Programm unter dem Titel „Rex Filmkunst“ soll daher auch auf Pforzheims Besonderheiten Rücksicht nehmen, genauso werde es auch von den Verleihfirmen abhängen.

Für Michael Geiger bietet das Programmkino die große Möglichkeit, Filme länger zu zeigen. Und damit auch Menschen zu erreichen, die ihre Freizeit immer stärker längerfristig planen. Das feste Programm über einen Monat soll dem entgegenkommen. „Wenn ich einen bestimmten Film sehen will, spielt es für viele keine Rolle, ob dieser schon eine Weile läuft“, ist Geiger überzeugt.

Trotz der gesellschaftlichen Veränderungen blickt Spiegel optimistisch in die cineastische Zukunft: „Kino hat immer schon schwierige Phasen durchleben und sich mit Konkurrenz auseinandersetzen müssen“ - und nennt Fernseher, Videorecorder, DVD-Player und jetzt eben die Streaming-Dienste als Beispiel. Aber auch wenn die Zeiten schwieriger geworden seien und anders als im Nachbarland Frankreich mit dessen geförderter Filmkultur nur 37 Prozent der Deutschen im Schnitt 1,3-mal im Jahr ins Kino gingen – glaubt Spiegel an die Zukunft. „Kino wurde schon so oft totgesagt. Das ist Quatsch“, sagt er.

Spannende Jahrzehnte für drei Generationen Kinomacher

Es ist die Turnhalle des Hebel-Gymnasiums, in der 1947 Kurt Geiger das erste innerstädtische Nachkriegskino Pforzheims etablierte – die „Schwarzwald-Lichtspiele“. 365.000 Besucher kamen im ersten Jahr – und damit 1000 Besucher pro Tag. Sechs Jahre lang wurden dort nicht nur Filme gezeigt, sondern auch Varieté-Abende, Konzerte und gar eine Modenschau veranstaltet. Es war der Auftakt für einen wahren Kinoboom, der Anfang der 1950er-Jahre in Pforzheim herrschte. Kurt Geiger schuf in nur wenigen Jahren gleich vier Lichtspielhäuser. 1950 eröffnete er im damaligen Industriehaus das „Roxy“ mit 539 Plätzen, vier Jahre später – 1954 – das „Rio“ an der Westlichen, zugleich ging an der oberen Bahnhofstraße das neue Rex-Kino seiner Vollendung entgegen. Vom renommierten Architekten Theo Preckel gebaut, ist es heute die Kernzelle des Geigerschen Kino-Imperiums. Mit seinen 1000 Plätzen war das „Rex“ ein multifunktionales Haus, gut für Veranstaltungen unterschiedlichster Art.

Filmwerbung damals mit Banner und Blaskapelle.

Kurt Geiger war mit seinen Kinos nicht der Alleinunterhalter in der Goldstadt. Ein Wettbewerber aus Lörrach trat auf den Plan. „Universum“ – heute die Buchhandlung Thalia – „Gloria“ an der unteren Bahnhofstraße und „Cinema“ hießen die Häuser.

Heute längst Geschichte, aber für manchen Zeitgenossen wehmütige Erinnerung. Jedenfalls war es Kurt Geiger, der die Pforzheimer Kinolandschaft weitgehend so aufstellte, wie sie heute in ihrem ganzen Glanz erstrahlt. Dass über die Jahrzehnte eine deutliche Marktbereinigung stattfand, gehört dazu in bewegten Zeiten.

Im ersten Rex-Kino wurden auch Konzerte aufgeführt.

1985 übernahm sein Sohn Michael Geiger das Unternehmen. Er war damals 30 Jahre alt. Seitdem findet sich das Rex-Kinocenter in einem ständigen Innovationsprozess. Michael Geiger wurde gleich zu Beginn mit einer großen Herausforderung konfrontiert. Die privaten TV-Sender gingen an den Markt – und den Kinobetreibern an die Substanz. Doch mit Streifen wie „Police Academy“ oder „Ghost Busters“ kehrte die Zuversicht zurück.

In der heutigen Hebel-Turnhalle eröffnete das erste Pforzheimer Nachkriegskino.

Und dann das Jahr 2001. Die Schließung des „Roxy“ im Industriehaus stand bevor, das „Universum“ war bereits geschlossen. Da stand plötzlich eine Multiplex-Kino-Gruppe aus Hannover auf der Matte. Für Michael Geiger eine existenzielle Frage. Da waren starke Nerven gefragt. Doch Ende gut, alles gut: Heute gehört das „Cineplex“ an der Zerrennerstraße zu den Kinos der Familie Geiger.

Und an der oberen Bahnhofstraße, im Rex, ist ein „Salonkino“ hinzugekommen: ein intimer Kinoraum mit Wohnzimmer-Charakter samt Sofas und Liegen. Ohnehin haben sich die Geigers – Michael, Conny und Sohn Nicolas – als wahre Treiber in Sachen Innovation gezeigt. Längst vorbei, als 3000 Meter lange Filmstreifen durch die großen 35-mm-Projektoren surrten. Heute kommen die Filme auf kleinen Festplatten von den Verleihern. 200 bis 300 Gigabyte sind heute die Maßeinheit, die Größe der Filmdatei. Ein Knopfdruck und ein paar Klicks mit der Computermaus reichen, um einen Film zu starten.

Schauspieler Hans Albers besucht in den 1950er-Jahren das Rex-Kino.