Messen in der Kathedrale von Tschenstochau verzeichnen einen deutlichen Besucherrückgang.
Zalewska
Pforzheim
In der geistlichen Hauptstadt Polens leeren sich die Kirchen
  • Aneta Zalewska für die Deutsch-Polnische Gesellschaft

Tschenstochau. Noch vor fünf Jahren hat man in Polen das Thema leere Kirchen nur als ein Phänomen westeuropäischer Länder gesehen. Die Polen waren stolz darauf, dass sie als gläubige Menschen bezeichnet wurden. Sie versuchten ebenfalls, nach der Lehre Jesu zu leben, heiligten den Feiertag, indem sie in Masse in die Heilige Messe gingen. Heutzutage kann man das nicht mehr sagen.

Tschenstochau – die geistliche Hauptstadt Polens mit dem berühmten Kloster Jasna Gora und zahlreichen anderen Kirchen in der Stadt und im Umland verzeichnet rückgängige Kirchenbesucherzahlen. Laut einer Messebesucherzählung von 2021 besuchten weniger als 25 Prozent der Tschenstochauer die Heilige Messe am Sonntag, zehn Prozent der dazu berechtigten Gläubigen empfingen die Sakramentale Kommunion. Das ist ein Rückgang um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Jahr 2017.

Die Gründe sind vielfältig: Corona-Pandemie, Skandale in der Katholischen Kirche, eine sich ändernde Weltanschauung, Unabhängigkeit junger Menschen vom Familienhaus und eine zunehmende Wohlstandsgesellschaft. Immer mehr Menschen gehören der Mittelschicht an und machen lieber am Wochenende eine Städtereise nach Barcelona, anstatt in die Heilige Messe zu gehen. Sakramente wie Taufe, Erstkommunion und Trauung verlieren weiter an Bedeutung. Im Jahr 2022 hat das Standesamt allein in Tschenstochau 25 Prozent weniger Trauungen verzeichnet als noch fünf Jahre davor.

Die angegebenen Gründe waren: die Teuerungsrate, die Verachtung von Traditionen, der Verlust des Glaubens, eine andere Haltung der Brautpaareltern, die früher die Hochzeitskosten übernommen haben. Heutzutage unterstützen sie ihre Kinder mit einem kleineren Geldbetrag.

Dazu kommt die Angst vor Scheidungen. Zudem darf die Trauung mit einem geschiedenen Partner nicht in der Katholischen Kirche stattfinden. Das gemeinsame Leben ohne Trauschein wird populärer. Dies wiederum bereitet den Kirchoberhäuptern Sorge, weil ihnen die Einnahmen wegbrechen. Die polnische Kirche finanziert sich durch die wöchentlichen Spenden bei der Messe und durch Erhebung einer nicht geringer Gebühr für die Sakramente.

Die Einnahmen können nur geschätzt werden, weil die Katholische Kirche dies nicht transparent macht. Und die Kirche geht mit dem technischen Fortschritt. Die Priester versuchen neue digitale Trends umzusetzen und hatten zum Beispiel die Idee für eine App, mit der man Spenden per Klick tätigen könnte. Das ist noch nicht verwirklicht, aber es gibt bereits im Eingangsbereich großer Kathedralen Automaten, auf denen zur Spende per Klick oder PayPal aufgerufen wird.

Die geschätzten jährlichen Einnahmen der Kirche in Polen entsprechen vier Milliarden Euro, im Vergleich ist die Katholische Kirche in Deutschland mit 6,8 Milliarden Euro (laut Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft 2022) und der doppelten Einwohnerzahl nicht viel besser gestellt. In Polen setzt sich die Summe aus 800 000 Euro aus der sonntäglichen Messe, einer Milliarde aus Gebühren für Trauungen, Beerdigungen und anderer Zeremonien, rund einer Milliarde aus Mieteinnahmen und „verschiedenen Einnahmen“ in Höhe von rund einer halben Milliarde zusammen, die der polnische Staat dazu gibt. Auch die Kirchenaustritte schnellen in die Höhe. Die aktuelle Zahl kann man aber auf der offiziellen Seite des Instituts für Statistik der Katholischen Kirche nicht finden, da die letzte Aktualisierung 2010 vorgenommen wurde.