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Provokation? Kunst? Beides zusammen? Andreas Sarow polarisiert. Was beabsichtigt der 43-Jährige mit dem Wohnwagen auf dem abbruchreifen Haus an der Hachelallee 25 in Pforzheim? Er liebt es, Irritationen zu schaffen, liebt die Aufregung in den Sozialen Netzwerken – und verlängert seine umstrittene Aktion noch bis zum 13. November. Am Sonntag, 12. November, wird er ab 16 Uhr vor Ort an der Hachelallee sein und sich den Fragen der Interessierten stellen.
Es darf also weiter gestritten werden auf Facebook und anderswo. „Ist das Kunst?“ fragt einer. „Geisteskrank“, schreibt ein anderer. Aber es geht auch differenzierter: „Sarow versteht es immer wieder, die Außenwelt auf unser verschlafenes Pforzheim zu lenken.“
Auch wenn sein Name weit und breit nicht zu finden ist, kein Schild die Aktion erklärt: Der Wiedererkennungseffekt der „Sarowisierung“ ist da, diese ungewöhnliche Illuminierung und Inszenierung, stets stark verbunden mit dem jeweiligen Ort. Nach der „schwarzen Villa“ im noblen Rodgebiet, dem „Dollhaus“ mitten in Grunbach gegenüber von Brunnen, Rathaus und Kirche, dem tempelartigen „perfekten Elternhaus“ in Büchenbronn jetzt also das „Penthaus“. Sarow spielt mit Begehrlichkeiten, die ein Penthouse in solch exklusiver Aussichtslage weckt.
Das Streben nach Luxus soll sich im Orange des Labels Hermès spiegeln. Sarow fragt: Was reicht, um glücklich sein? Und plädiert für mehr Einfachheit: Bei Sonne, Wind und guter Aussicht genüge ein Refugium von wenigen Quadratmetern. „Wenn man alles überschauen kann, was einen glücklich macht – das ist wahrer Luxus.“ Eine in den Himmel ragende Leiter soll die Freiheit symbolisieren. Luxus funktioniere auch im Kleinen.
„Ich wollte die Idee des Sesshaften auflösen und einen Gegenpol schaffen“, erklärt der 43-Jährige seine Arbeit. Die heutzutage von vielen abverlangte Flexibilität und Mobilität erfordere neue Wohnformen. Im „Penthaus“ entwirft er das Bild eines urbanen Lebens, in dem unzählige Module einfach auf Bauten aufgestellt werden und man nach Bedarf weiterzieht. „Vielleicht wird man in Zukunft so leben, dass man morgens gar nicht weiß, wo man abends schläft“, sagt er. An der Gebäudeseite ist ein Schild angebracht. Die Idee: Überall, wo dieses Wohnwagensymbol an Häusern zu finden ist, sind „freundliche Parasiten“ willkommen.
Im „Penthaus“ arbeitet der Galerist eigene Erfahrungen auf. „Vor über zehn Jahren habe ich diese Wohnform auf acht Quadratmetern im Selbstversuch über den Weinfeldern in Lauffen am Neckar über einen längeren Zeitraum getestet“, erzählt er. Dabei habe er gelernt, dass es „viel sozialer und kommunikativer ist, wenn man sich aufs Wesentliche beschränkt und Bedürfnisse wie Körper- und Kleidungspflege extern erledigt“. Das Experiment habe ihm aber auch gezeigt, wie er intensiver mit der Natur leben kann. „Man verlagert sein Leben für mehr Raumgewinn vor die Türe.“
Sarow und sein Team müssen schnell und unerkannt arbeiten. „Ich selbst muss zwei Straßen weiter parken und darf nur inkognito auf die Baustelle“, sagt Sarow. Die Enthüllungen selbst realisiert er in Nacht-und-Nebel-Aktionen, um keine Aufmerksamkeit zu erwecken. Werber nennen dies „Guerilla-Effekt“. „Und die Wirkung wird noch viel intensiver, wenn diese zeitlich begrenzt ist“, sagt er. Nach dem 13. November verschwindet dann der Wohnwagen.
Das „Penthaus“ markiert so etwas wie einen Wendepunkt. Von 2018 an will Sarow die Leitung seiner Unternehmen abgeben, nur noch als Objektkünstler arbeiten. Und weitere Städte sarowisieren. Projekte in Pforzheim, aber auch in München seien bereits fix. Auch in der Konstanzer Innenstadt hat er bereits seine Spuren hinterlassen: mit dem „Way Of Life Calculator“. Ein riesiger Taschenrechner ragte dort aus den Fenstern eines Hauses an der Hussenstraße.