Christel Augensteins Anwalt Wolfgang Kubicki hält den Mannheimer Urteilsspruch für „nicht bestandsfähig“. Unser Bild entstand im November 2017. Ende 2018 hatte der Bundesgerichtshof die Verurteilung durch das Landgericht Mannheim a ufgehoben und den Fall an eine andere Kammer desselben Gerichts zurückverwiesen. Foto: Ketterl
Ketterl
Pforzheim
Neuauflage im Pforzheimer Derivate-Prozess womöglich erst nächstes Jahr
  • Marek Klimanski

Pforzheim/Mannheim. Ein Urteil im Derivate-Strafverfahren gegen Pforzheims frühere Oberbürgermeisterin Christel Augenstein und die damalige Stadtkämmerin Susanne Weishaar wegen Untreue ist für die nähere Zukunft eher nicht zu erwarten. So liest sich die Antwort des Landgerichts Mannheim auf eine Anfrage der „Pforzheimer Zeitung.“

Der Bundesgerichtshof hatte Ende vergangenen Jahres die Verurteilung der beiden durch das Landgericht Mannheim zu Bewährungsstrafen aufgehoben und den Fall an eine andere Kammer desselben Gerichts zurückverwiesen. Hauptbegründung: Die Schadenshöhe hätte exakter herausgearbeitet werden müssen. Die nunmehr zuständige Kammer am Landgericht Mannheim sei aber derzeit mit einem Verfahren gegen die Schweizer Investment-Großbank UBS befasst, teilt die Pressestelle des Gerichts mit. Der Bank wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen.

Zudem sei die Kammer derzeit als allgemeine Hilfsstrafkammer mit einer sogenannten Haftsache betraut – das heißt, ein oder mehrere Angeklagte sitzen in Untersuchungshaft, weswegen diese Verfahren vorrangig behandelt werden. Alles in allem: „Es ist daher noch nicht abzusehen, ob gegebenenfalls im laufenden Jahr eine Terminierung erfolgen kann.“

Die Staatsanwaltschaft Mannheim wirft Augenstein und Weishaar vor, verbotenerweise und am Gemeinderat vorbei spekulative Zinsderivatgeschäfte erst mit der Deutschen Bank und dann zum Ausgleich von Verlusten daraus mit der US-Investmentbank J.P. Morgan abgeschlossen zu haben. Aus diesen Geschäften waren der Stadt Pforzheim Verluste in Höhe von rund 56 Millionen Euro entstanden. Rund drei Viertel des Geldes hat die Stadt aber durch Vergleiche zurückerhalten, die sie in durch Augensteins Nachfolger Gert Hager angestrengten Schadenersatz-Prozessen gegen die Finanzinstitute abschloss.

Pikant daran, dass nun erklärtemaßen eine Neuauflage des Strafprozesses nach hinten rückt, ist der Zeitpunkt: Am Freitag vor zehn Jahren unterlag Augenstein im zweiten Wahlgang der OB-Wahl gegen Gert Hager, unter dem die Verluste öffentlich wurden, was schließlich zu einer anonymen Anzeige gegen Augenstein und Weishaar führte. Daraus wurde letztlich die Anklage – und noch immer, exakt eine Dekade später, sind alle Beteiligten und die Stadtverwaltung im Ungewissen über die Strafbarkeit von Augensteins und Weishaars Handeln.

Fest steht mittlerweile nur: Es wird nicht nur von Anwälten, sondern auch von Richtern unterschiedlich bewertet. Das aufgehobene Urteil aus dem Jahr 2017 hätte für Augenstein zwar keine Gefängnisstrafe zur Folge gehabt, wohl aber den Verlust der Pension, und mögliche Schadenersatzansprüche seitens der Stadt nach sich gezogen.