Der Rock’n’Roll lebt – davon überzeugen „The Cash“ das Publikum auf dem Leopoldplatz mit Cover-Versionen der großen Klassiker. Sie reichern ihr Petticoat-Repertoire aber auch um fetzige Nummern aus den Siebzigern und Achzigern an. Foto: Meyer
Hermann Schuler nennt die Peripoli Giulietta seit 1959 sein eigen – damals gekauft von seinem Lehrlingsgehalt. Foto: Meyer
Eugen Flag versucht sich im Bungee Run. Foto: Meyer
Pforzheim
Pforzheimer Wirtschaftswunder gibt es immer wieder - und das auch bei Regen

Pforzheim. Die Goldstadt im Zeitgeist der 1950er- und 1960er-Jahre erleben: Getreu diesem Motto ging an diesem Sonntag das „17. Pforzheimer Wirtschaftswunder“ von 12 bis 19 Uhr in der Pforzheimer Innenstadt über die Bühne. Der Erlebnissonntag bot neben einer ausgelassenen Atmosphäre und einem umfangreichen gastronomischen Angebot, auch ein buntes Veranstaltungsprogramm für die ganze Familie.

Pforzheim. Hermann Schuler weiß nicht mehr, wie oft er schon auf sein italienisches Schätzchen angesprochen wurde. Doch bereitwillig gibt der heute 76-jährige Kfz-Meister – er schaffte 45 Jahre lang „beim Daimler“ – Auskunft, was es mit seinem heute putzig wirkenden Moped, einer Peripoli Giulietta, Baujahr 1959, 48 Kubik, auf sich hat. Doch er kann es zum ersten Mal unter den Arkaden bei den anderen historischen Zweirädern erzählen, nachdem der Veranstalter endlich ein Einsehen hatte und den Stuttgarter nicht neben den US-Straßenkreuzern auf der Leopoldstraße platzierte, sondern im natürlichen Habitat in Würde gealterter „Kollegen“.

Die Kurzfassung, die gerne von den Flaneuren am verkaufsoffenen Sonntag – dem 17. „Wirtschaftswunder“-Sonntag in der Pforzheimer City – wissbegierig aufgenommen wird: 16-jähriger Lehrling ersteht für 840 D-Mark einen Import aus dem Süden (laut Zulassung, die Schuler hütet wie einen Schatz, „ein italienisches Kraftfahrzeug, das den deutschen Vorschriften entspricht“). Nach zwei Jahren ist die Mühle „fix und foxi“ (Schuler) und ruht bis 2011 auseinandergeschraubt in einer Kiste unter der Treppe – bis Schuler sie 2011 restauriert. Seither ist das zierliche Zweirad Blickfang bei Shows.

Das nehmen auch die Besitzer anderer Liebhaberstücke für sich in Anspruch, denn schließlich muss der verkaufsoffene Sonntag den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und das Motto in den Vordergrund stellen – nicht die Möglichkeit des Einkaufs, wenngleich sich die Händler namens des Sprechers Karsten Jung vom gleichnamigen Modehaus gerade bei der durchwachsenen Witterung mit Tendenz zu konstantem Nieselregen eine ordentliche Frequenz nicht nur auf der Gass’, sondern auch in ihren Läden wünschen.

Jung spricht zum Ausklang des Nachmittags nach Rücksprache mit seinen Einzelhandelskollegen von einem „typischen Mantel- und Jackentag“ und einem „schönen Auftakt für die Herbstsaison“.

Bei Oliver Reitz, dem Chef von Wirtschaft und Stadtmarketing (WSP), schlägt beim „Wirtschaftswunder“-Sonntag traditionell das Herz höher, wenn er auf dem Marktplatz, an der Bahnhofstraße und auf der Leopoldstraße das „Garagengold“ entdeckt, für den Oldtimer-Fan (und -Besitzer) „die wahren Klassiker“ – vor allem wegen der beherrschbaren Technik. Ob unter den heutigen Neuwagen der Autohäuser Hahn, Gerstel und Walter dereinst auch Klassiker zu finden sein werden wie die luftgekühlten Porsche 911, der Thunderbird mit den Weißwandreifen, die elegante Caravelle von Renault, der Jaguar E-Type, der knorrige Austin Healey, der von Grund auf restaurierte „Kübel“ oder das wohl seltenste Ausstellungsstück, das Amphicar, Modell 770?

Mit Argusaugen wachen die Besitzer – „Badenser Käferschlenzer“, der Porsche-Club, der Vespa-Club, der Oldtimerclub „Klassische Fahrzeuge Pforzheim“, der „Freundeskreis Autokultur“ oder die „Oldtimerfreunde Tiefenbronn“ – darüber, dass es beim Staunen mit den Augen bleibt.

Kultureinrichtungen wie das Osterfeld und das Stadttheater werben für ihr Angebot; die PZ lockt mit einem Gewinnspiel und einem Talk mit Chefredakteur Magnus Schlecht. Und am Marktplatz ist neben den automobilen Klassikern ein alter US-Schulbus Blickfang, vor allem seines Innenlebens wegen – in monatelanger Kleinarbeit wurden Miniatur-Wohnmobile im Maßstab 1:15 gebastelt und sind im „MagicBus“ ausgestellt. Für die Goldstadt ein Alleinstellungsmerkmal: Die Show ist weltweit einmalig.