
Zwei Jahre nach dem Reitunfall empfängt Dr. Jonas Apitzsch, Chefarzt der Radiologie (von rechts), seine Patientin Laura Pintauer und ihre Mutter Suzana Pintauer gemeinsam mit seiner Assistenzärztin, Nour Maalouf, im Helios Klinikum Pforzheim
Dr. Michael Klopp- pm
Pforzheim. Bei den Vorbereitungen zu einem Reitabzeichen ist die damals zehnjährige Laura Pintauer vor zwei Jahren in ihre Reitgerte gestürzt. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass die Schülerin damit für einen bis dato noch nie in der medizinischen Fachliteratur veröffentlichten Fall sorgte. Die ganze Geschichte hat das Helios Klinikum Pforzheim nun in einer Pressemitteilung veröffentlicht.
Im Oktober vor zwei Jahren half das Mädchen demnach bei den Vorbereitungen für das bevorstehende Reitabzeichen. Auf dem Weg, eine Striegelbürste zu holen, sei sie in ihre Dressurgerte, welche sie in der Hand hielt, gestürzt. Da die Zehnjährige kurz bewusstlos gewesen sei und verwaschen gesprochen habe, fuhr ihre Mutter Suzana Pintauer direkt mit ihr in die Kinderambulanz des Helios Klinikum Pforzheim.


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Die dortigen Kinderärzte nahmen Pintauer laut Mitteilung mit einer Schwellung am Auge, ähnlich einem Insektenstich, auf. Nach der Erstversorgung überwiesen sie sie dann zur Abklärung der Verletzung in eine Augenklinik, wo sie mit Antibiotikum versorgt worden sei. Zurück in der Helios Kinderklinik seien weitere Symptome wie Fieber, Sehstörungen, Schwindel und Übelkeit aufgetreten, sodass der Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Kai Siedler, ein Schädel-MRT anordnete.
Das bildgebende Diagnoseverfahren zeigte laut Pressemitteilung einen für alle Beteiligten unerwarteten Befund: Einen langen Stickkanal von der rechten Augenhöhle ausgehend bis hinein in das Gehirn. Die sofortige interdisziplinäre Besprechung zwischen den Kinderärzten, Radiologen und Neurologen habe ergeben, dass sich das Mädchen beim Sturz die Dressurgerte bis ins Kleinhirn gestoßen und aus Reflex wieder herausgezogen hatte. Um eine Infektion oder einen verbliebenen Fremdkörper im Hirn angemessen behandeln zu können, sei die Zehnjährige daraufhin sofort in eine Kinderklinik mit neurochirurgischer Abteilung verlegt und dort ohne Operation therapiert worden.
Vorfall hat Jugendliche geprägt
Zwei Jahre nach dem Reitunfall waren Suzana Pintauer und ihre Tochter zu Besuch am Helios Klinikum Pforzheim. Heute reite die inzwischen 12-Jährige nicht mehr, spiele jedoch – ohne jegliche motorische Einschränkung – Fußball.
"Es ist ein Wunder, dass Laura keine bleibenden Schäden davongetragen hat. Zwei Millimeter versetzt hätte Laura ihren Sehnerv getroffen oder sogar die innere Halsschlagerader. Dann wäre sie nicht mehr hier", erklärt Dr. Jonas Apitzsch, Chefarzt der Radiologie und Nuklearmedizin. Gemeinsam mit Apitzsch habe Pintauer erstmals ihre MRT-Bilder angeschaut.
"Mir war nicht bewusst, dass mir etwas so Schlimmes passiert ist, die Bilder zeigen mir jetzt, wie knapp das alles war",
erzählt die Jugendliche nachdenklich und neugierig zugleich.
Ihre Neugierde zeige, dass dieses Erlebnis ihre Zukunft geprägt hat, denn die Schülerin möchte später Medizin mit der Fachrichtung Neurologie oder Unfallchirurgie studieren.


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Ein solch einzigartiger Fallbericht wurde laut Pressemitteilung bisher noch nie in der Weltliteratur publiziert. Deshalb hätten die Radiologen im Einverständnis mit der Familie der Patientin entschieden, die Krankengeschichte inklusive der MRT-Bilder als Fallbericht zu veröffentlichen. Diese anspruchsvolle Aufgabe habe unter der Anleitung von Chefarzt Apitzsch die Assistenzärztin der Radiologie, Nour Maalouf, übernommen. Da dieser Fall neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringe, ist es den Spezialisten gelungen, ihren Artikel in der Fachzeitschrift "Radiology Case Reports" zu platzieren.
