
Der Wildpark-Förster Carsten Schwarz freut sich über die neue Tierarten.
Seibel- Claudius Erb
Insider berichten von Nervosität, die sich bereits bei Betreibern anderer Zoos und Tierparks breitmache. Pforzheims Wildpark, den Nutzer des Online-Portals Tripadvisor jüngst ohnehin bundesweit in die Top 5 wählten (die PZ berichtete), könnte nun vollends an die Spitze stürmen. Grund sind gleich drei neue Bewohner, die in der Branche als Sensation bezeichnet werden. Wildpark-Förster Carsten Schwarz sei ein Coup gelungen, heißt es, der seinesgleichen suche.
Drei große Tafeln zeigen an, dass der Wildpark selbstbewusst mit seinen neuen Attraktionen umgeht, die durchaus mit Investitionen verbunden sind. Gleich gegenüber dem Gehege der Steinböcke, die sich gut mit dem neuen Nachbar vertragen, ist sie eingezogen: die Steinlaus, zoologischer Name „Petrophaga lorioti“ und ganz schön klein, um solch große Erwartungen zu wecken. Gerade einmal 0,3 bis drei Millimeter misst der Körper dieser 1983 erstmals von Vicco von Bülow nachgewiesenen Spezies, deren Appetit allerdings ein gesegneter ist. Bis zu 28 Kilogramm Gestein vertilgt diese Laus, und das täglich. „Wir mussten eigens einen Steinbruch pachten, um an das nötige Futter zu kommen“, berichtet Schwarz. Steinläuse, so steht es auf dem Schild, seien Freunde schwerer Kost. „Unsere präferieren Buntsandstein“, weiß der Wildpark-Chef. Kinder stünden mit großen Augen vor ihm, wenn er ihnen erzähle, dass dies eigentlich die gefährlichsten Tiere seien – zumindest in freier Wildbahn: „Die könnten ganze Städte auffressen.“ Meist halten sich Steinläuse unterirdisch auf. Bei wissenschaftlichen Grabungen waren die Tiere in 20 Metern Tiefe entdeckt und zum Bewahren der Gattung in den Wildpark gebracht worden. Der Steinlaus wird auch therapeutische Wirkung nachgesagt, etwa bei der Behandlung von Gallen- und Nierensteinen oder zur Reizung des Zwerchfells. Einsprechende Einträge finden sich im medizinischen Nachschlagewerk Pschyrembel.
Deutlich größer, aber ebenfalls scheu ist der zweite Hoffnungsträger: der „Ursus marmelatta pforzheimi“, im Volksmund Gsälzbär genannt. Das Tier sei ein Pforzheimer Urgewächs und zugleich ein Glücksfall, sagt Schwarz. Seines Wissens konnte sich bislang kein anderer Zoo ein solches Exemplar sichern. Wie er an den Gsälzbären kam? Kein Kommentar. Nur so viel: Sein Anbieter wolle anonym bleiben. In freier Wildbahn sei diese Bärenart, die süße Nahrung bevorzuge, nicht mehr anzutreffen. Um so mehr erfülle es ihn mit Stolz, den Gsälzbären präsentieren und erhalten zu dürfen. Schwarz freut sich, dass der Bär gleich neben seinem Büro im Verwaltungsgebäude eine Bleibe gefunden hat. „Ab und zu sehe ich ihn durchwitschen, er ist sehr misstrauisch.“ Und offenbar auch wählerisch. Das Wildpark-Team müsse etwa penibel darauf achten, dass die als Lockmittel verwendete Marmelade die perfekte Temperatur habe.
Der dritte neue Bewohner wecke bei Besuchern bereits Begehrlichkeiten. Eltern fragten an, ob sie sich das Tier ausborgen könnten, weil ihre Kinder abends nicht zu Bett gehen wollten. Doch den Nachtgrapp vorübergehend herzugeben, das lasse die EU-Zoorichtlinie nicht zu. Tatsächlich wird dem „Nocturnocorvus saturnalia“ nachgesagt, kleinen Menschen nachzustellen, sie zu ergreifen und mit ihnen davonzufliegen. Schwarz gibt Entwarnung: „Kinder hat er bei uns noch keine geholt – zumindest tagsüber nicht.“
Noch lebt das an seinem rot-schwarzen Balzkleid zu erkennende Männchen quasi Flügel an Flügel mit den Schneeeulen. Doch bald soll es zu einer verwandten Gattung umgesiedelt werden. Bei der Wildschwein-Anlage hat bereits die erste Bauphase der Vorbereitungen für die Waldrapp-Voliere begonnen.
Bald soll der Kampfmittelbeseitigungsdienst den Untergrund erkunden. Denn im Herbst werden die eigentlichen Arbeiten für das Gehege starten, in dem auch der Uhu unterkommen soll. Dann wird das bisherige Domizil des Nachtgrapps allein den Schneeeulen vorbehalten sein. Weil es zoologisch bislang kaum verlässliche Untersuchungen gibt, ist unklar, wie gut sich Grapp und Rapp vertragen. „Wir wollen es einfach versuchen“, sagt Schwarz. Der Waldrapp sei klassischerweise tagaktiv, der Nachtgrapp ausschließlich nachtaktiv. Ein weiteres nicht minder spektakuläres Angebot hat Schwarz übrigens abgelehnt: „Den Pleitegeier wollten wir hier einfach nicht haben.“
Zur Feier des Zuzugs bietet das Wildpark-Team am heutigen Freitag, 1. April, von 17.30 bis 18.30 Uhr eine Spezialführung an. Los geht’s am „Wildparkstüble“.